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Die Passionserzählung des Markusevangeliums anhand von Mk 14,22–25; 15,33–39; 16,1–8

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Inhaltsverzeichnis

A. Thematische Perspektiven

B. Ausgangstexte: Mk 14,22–25 / 15,33–39 / 16,1–8. 11

C. Anhang: Zur Diskussion um Jesu Todesverständnis

A. Thematische Perspektiven

1. Zur Besonderheit der Passionsgeschichte

Die Passionsgeschichte hat in der Jesustradition insofern eine Sonderstellung inne, als sie einen größeren Erzählbogen bietet als in den sonst dominierenden kleinen Einheiten, vom Todesbeschluss gegen Jesus bis zu seiner Verhaftung, Verurteilung, Hinrichtung und zur Auferweckungsbotschaft. Die Abfolge der einzelnen Abschnitte liegt im Wesentlichen fest. Dies weist auf eine besondere Überlieferungsgeschichte hin.

Meist wird angenommen, dass die Passionsgeschichte als eigenes Traditionsstück überliefert wurde, die Rekonstruktion ist allerdings umstritten, ebenso das Verhältnis zur johanneischen Passionsgeschichte: Handelt es sich um eine eigene Tradition oder um redaktionelle Bearbeitung der synoptischen Passionsgeschichten?

Zur Gattung lassen sich zwei Analogien erkennen:

  • Hellenistische Märtyrerakten: Kernstück ist die Gerichtsverhandlung, in der sich der Märtyrer gegen eine ungerechte Anklage verteidigt.
    → Auch in der Passionsgeschichte wird der Prozess gegen Jesus geschildert.
  • Frühjüdische Martyrien: Im Mittelpunkt steht das qualvolle Sterben, das aber die Überlegenheit und Frömmigkeit des Märtyrers erweist (MartJes; 2Makk 6; 7)
    → Jesu Sterben am Kreuz wird dargestellt, allerdings ohne Akzent auf die Qual, eher auf die Erniedrigung durch Verspottung.

Aus den Gattungsanalogien folgen keine festen formalen Vorgaben für die Gestaltung des Stoffes.

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2. Der alttestamentliche Hintergrund der Passionsgeschichte

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2.1 Zur Bedeutung des Schriftbezugs

(1) Der Sinn des Rückgriffs auf die Schrift

Der Schriftbezug ist in den Passionsgeschichten stark ausgeprägt. Dies ist darin begründet, dass die Kreuzigung Jesu ein Problem darstellte: Warum führte der Weg des Messias ins Leiden? Dies war angesichts jüdischer Heilserwartung ein erklärungsbedürftiges Faktum. Die Schriftbezüge stellen eine Antwort auf die genannte Frage dar:

  • Dies gilt grundsätzlich: Wenn die Passion Jesu als schriftgemäß aufgezeigt wird, dann klärt sich auch, dass das Kreuz nicht gegen den Plan Gottes gerichtet sein kann, sondern übereinstimmt mit dem göttlichen Willen.
  • Die Schrift bietet, vor allem in den Psalmen, die Vorstellung vom leidenden Gerechten. Leiden und Unschuld müssen sich nicht widersprechen. Zugleich bezeugen diese Psalmen auch die Zuversicht, dass Gott den leidenden Gerechten errettet. So boten sie ein Muster für die Deutung des Geschicks Jesu aus urchristlicher Perspektive.

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(2) Keine »historisierte Prophetie«

Überzogen wird die Bedeutung des Schriftbezugs, wenn die Passionsgeschichte als »historisierte Prophetie« eingestuft wird, die ohne Anhalt an geschichtlichen Daten aus alttestamentlichen Texten herausgesponnen sei (so J.D. Crossan: allein die Hinrichtung Jesu durch die Römer sei historischer Haftpunkt).

Aber:    

  • Dieses Vorgehen wäre einmalig, gewöhnlich wird der Schrifttext angepasst an das Ereignis;
  • es ist kein Leitfaden bestimmter Schriftbezüge erkennbar;
  • etliches bleibt ohne Schriftbezug (z.B. Salbung, Schwert bei der Verhaftung, Simon von Kyrene)
  • die Jüngerflucht wird durch Schriftbezug gedeutet, nicht umgekehrt aus Schriftstelle abgeleitet.

Der geschichtliche Kern der Passionsgeschichte ist weiter zu fassen, als das Konzept der »historisierten Prophetie« annimmt. Zu ihm gehören:

  • ein Abschiedsmahl Jesu mit seinen Jüngern angesichts des drohenden Todes
  • Verhaftung durch einen Trupp der Tempelpolizei
  • Verhandlung vor einer jüdischen Instanz, die mit einem Schuldspruch endet
  • Überstellung an Pilatus mit einer politisch begründeten Anklage (»König der Juden«)
  • Verurteilung Jesu durch den Statthalter
  • Tod Jesu am Kreuz
  • Jüngerinnen Jesu als Zeugen der Kreuzigung
  • Grablegung Jesu

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2.2 Formen des Schriftbezugs

Zitate: Sie sind eine eher untypische Form des Schriftbezugs in den Passionsgeschichten (gekennzeichnet nur in Mk 14,27par.; Mt 27,9f.; Lk 22,37).

Anspielungen sind schwerer zu fassen als Zitate, weil die wörtlich übereinstimmende Textmenge geringer ist.

  • Beispiel: Spielt das Schweigen Jesu vor Pilatus auf Jes 53,7 an? Einerseits können in den Passionsgeschichten Anspielungen auf den Gottesknecht wahrgenommen werden (der Gebrauch des Verbs überliefern, das für viele ausgegossene Blut; vgl. auch Mk 14,65 mit Jes 50,6f.); andererseits bleiben sie auffällig zurückhaltend.
  • Aus den Psalmen könnten (außer Ps 22) eine Rolle spielen Ps 41,10; 42,6.12; 69,22; auch Ps 2,1f.

Im Fall von Motiv-Aufnahmen werden geprägte Sachgehalte aufgegriffen, die in der atl Tradition an verschiedenen Stellen erscheinen (Beispiel: das Waschen der Hände in Unschuld; das Schütteln des Kopfes).

In der Aussage über die Erfüllung der Schriften (Mk 14,49par.) äußert sich der oben (s. 2.1) vorgestellte grundsätzliche Gedanke.

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2.3 Zur Bedeutung von Ps 22

Der deutlichste Bezug findet sich im Gebet des sterbenden Jesus mit dem Zitat von Ps 22,2: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« (Mk 15,34)

  • Dadurch wird Jesus dargestellt als der leidende Gerechte; die Erniedrigung am Kreuz erweist nicht seine Schuld, denn wie der Beter von Ps 22 wird auch Jesus von Gott errettet – zwar nicht vor dem Tod, aber aus dem Tod.
  • Erkennt man den Ruf der Gottverlassenheit als Zitat, dann eröffnet sich gerade in ihm der Blick darauf, dass Jesus nicht von Gott verlassen ist. Die Erniedrigung Jesu am Kreuz wird nicht überspielt, sondern ernst genommen. Zugleich wird in jenem Schrei auch die Gewissheit der Erhörung wachgerufen – jedenfalls wenn man die Worte nicht für sich betrachtet, sondern als Zitat aus Psalm 22.

Weitere Bezüge auf Ps 22 sind in der Verteilung und dem Verlosen der Kleider zu finden (Mk 15,24; s. Ps 22,19). Mt greift in 27,43 auf Ps 22,9 zurück, Lk in der Verspottungsszene 23,35 auf Ps 22,8.

Möglichweise wird auch in folgenden Zusammenhängen auf Ps 22 angespielt:

  • Verspottung des Gekreuzigten (Ps 22,7b);
  • das Schütteln des Kopfes (wenn man es nicht als geprägtes Motiv auffasst, Ps 22,8);
  • Kreuzigung mit zwei Räubern (wenn man nicht eine Anspielung auf Jes 53,12 erkennt, Ps 22,17a)

Die Abfolge der Bezüge stimmt nicht überein mit der Abfolge der Aussagen im Psalm. Die Passionsschilderung ist also nicht aus diesem Psalm erwachsen. Den Hörern der Passionsgeschichte wird dadurch der Sinn des Geschehens eröffnet: Die Passion Jesu ist nach dem Muster des leidenden Gerechten zu verstehen. Geschichte und Deutung durchdringen sich.

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3. Zum Verständnis der Sühnetod-Deutung

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3.1 Das Problem

Im Blick auf den Tod Jesu und seine Deutung begegnen wir einem heute nicht geringen Problem. Im Neuen Testament ist der Tod Jesu mit dem Gedanken verbunden, dass er »für uns«, »zur Vergebung der Sünden« gestorben ist. Die Rede vom Sühnetod ist insofern nicht leicht zu verstehen, als Sühne in unserem Sprachkontext in der Nähe von »Strafe« wahrgenommen wird.

Angewendet auf das Verhältnis des Menschen zu Gott: Gott scheint die Sühneleistung zu fordern, um das gestörte Verhältnis der Menschen zu ihm wieder bereinigen zu können. Übertragen auf den Sühnetod Jesu ergibt sich das Bild eines kleinlich abrechnenden Gottes, der den Tod seines Sohnes verlangt, um den Menschen vergeben zu können.

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3.2 Klärung: Keine Besänftigung eines zürnenden Gottes

(1) Der biblische Horizont von Sühne

Die Frage »Braucht es den Tod seines Sohnes, um den Menschen vergeben zu können?« ist falsch gestellt: Die Vorstellung, Gott sei nur vergebungsbereit, wenn er durch den gewaltsamen Tod Jesu gnädig gestimmt wird, ist kein biblischer Gedanke.

Eine wichtige Voraussetzung zum Verstehen ist die biblische Sicht der Sünde. In diesem Rahmen ist Sünde eine objektive, fast dingliche Wirklichkeit: Hervorgerufen durch die böse Tat ist sie im geschehenen Bösen anwesend und wirksam – wirksam in dem Sinn, dass sie sich unheilvoll auswirkt auf den Täter, sein soziales Umfeld und die natürliche Ordnung. Sünde ist also vor allem Vergiftung der menschlichen Lebenssphäre, nicht Beleidigung Gottes.

Sühne eröffnet die Möglichkeit, von den Unheilsfolgen der Sünde loszukommen. Dies geschieht nach atl Tradition vorwiegend im Kult. Auch wenn der Sinn der einzelnen Riten nur schwer zu rekonstruieren ist, lässt sich der Grundzug der kultischen Sühne be­stimmen:

► Gott gewährt, von den Unheilsfolgen der Sünde loszukommen, indem er den Kult in Israel gestiftet hat.

Dies ist zu erkennen am zentralen Blutritus des »Sündopfers«: Das Blut, dem Genuss des Menschen entzogen, wird von Gott freigegeben, um Sühne zu wirken (Lev 17,11). Außerdem wird die Vergebung durch Gott nicht durch den Ritus selbst bewirkt, sondern schließt sich als eigener Akt an den Ritus an. Der Sühnekult ist nicht Selbsterlösung des Menschen, auch nicht Besänftigung des zürnenden Gottes.

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(2) Vielfalt der Aussageweisen zum Heilstod Jesu

Dass Jesu Tod ein Geschehen ist, das anderen zugutekommt, wird im Neuen Testament begrifflich vielfältig ausgedrückt:

Loskauf (aus Gefangenschaft, Sklaverei), Löschung des Schuldbriefs, Versöhnung, sterben für (uns, euch), sterben für unsere Sünden, auch opferkultische Metaphorik ist belegt (z.B. Röm 3,25).

Am häufigsten finden sich Formulierungen mit der Präposition „für“. Zwei Sinndimensionen sind hier eingeschlossen: Der Tod Jesu wird umschrieben als ein Geschehen,

  1. das Jesus anstelle von anderen trifft und
  2. das anderen zugutekommt.

    Dies kann sich ausdrücklich verbinden mit dem Gedanken der Befreiung von Sünden (auch unter Verwendung anderer Präpositionen). Im Tod trifft Jesus das Geschick, das eigentlich die Sünder treffen müsste, und dadurch werden diese von den Folgen ihrer Sünden befreit. Das ist gemeint, wenn vom »stellvertretenden Sühnetod« die Rede ist.

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(3) Das Kreuz als Ausdruck der Liebe Gottes

Die Befreiung von den Sünden(folgen) wird nun aber nicht so gedacht, dass der Tod des Gottessohnes den Zorn Gottes besänftigen und Gott gnädig stimmen würde. Jesu Tod auf wirkt nicht auf Gott ein und macht ihn nicht vergebungsbereit. Vielmehr handelt Gott selbst im Kreuz Jesu:

  • Wenn Paulus von der Versöhnung zwischen Gott und Welt spricht, dann wird nicht Gott durch den Tod Jesu versöhnt; es geht auch nicht um eine zweiseitige Aussöhnung zwischen verfeindeten Parteien. Gott ist es, der die Welt mit sich versöhnt (2Kor 5,19f.; Röm 5,10f.: »durch den Tod seines Sohnes«).
  • Dieselbe Zuspitzung findet sich in Röm 3,25: »Gott hat ihn aufgerichtet als Sühnemal…« Wahrscheinlich spielt der Text auf das große Sühneritual in Lev 16 an und deutet den Tod Jesu in kultmetaphorischen Kategorien. Auch ein solcher Deutungsansatz bestätigt die Ausrichtung auf das Handeln Gottes. Denn auch der alttestamentliche Sühnekult zielt nicht darauf, Gott versöhnlich zu stimmen, sondern ist vorgestellt als eine von Gott eröffnete Möglichkeit, von den unheilvollen Folgen der Sünde loszukommen (s.o. Abschnitt 1).
  • Auch in anderen Zusammenhängen wird das Handeln Gottes ausdrücklich benannt (Röm 8,31), bisweilen verdeckt in passivischen Formulierungen: »Er wurde hingegeben wegen unserer Verfehlungen« (Röm 4,25; s.a. Röm 5,10) heißt daher so viel wie: »Gott hat ihn hingegeben wegen unserer Verfehlungen«.

In das gezeichnete Bild fügt sich ein, dass der Tod Jesu als Ausdruck der Liebe Gottes gilt (Röm 5,8; s.a. 1Joh 3,16). Mit dem Zorn Gottes hat er nichts zu tun (auch nicht in Röm 5,9).

Damit ist auch der Rahmen für das Verständnis der Selbsthingabe-Formeln abgesteckt. Wenn es heißt, Christus habe sich hingegeben (z.B. Gal 1,4; 2,20), wird Christus nicht als menschlicher Akteur gedacht, der auf Gott durch seine Hingabe einwirken wollte. Ausgesagt wird vielmehr: Christus vollzieht die Hingabe durch Gott in innerer Übereinstimmung.

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3.3 Jesu Tod als vorbildliche Lebenshingabe ohne Sühnegedanke?

Nicht alle Aussagen, die Jesu Tod als Heilstod deuten, bringen ausdrücklich die Sünden bzw. deren Vergebung ins Spiel. Häufiger finden sich personal ausgerichtete Formulierungen:

Jesus starb »für uns« (z.B. 1Thess 5,10), »für euch« (Lk 22,20), »für mich« (Gal 2,20), »für viele« (Mk 14,24), »für den Bruder« (Röm 14,15; 1Kor 8,11), »für die Freunde« (Joh 15,13), oder bildhaft »für die Schafe« (Joh 10,11.15). Hier ist auf verschiedene Weise vom Lebenseinsatz Jesu die Rede.

Dies schlägt eine Brücke zur Literatur aus der griechisch-römischen Umwelt des Neuen Testaments, wo der Gedanke des Lebenseinsatzes für andere vielfältig belegt ist. Eine Unheilssituation, z.B. eine Naturkatastrophe oder eine drohende Niederlage im Krieg, wird durch den Tod eines oder einer Einzelnen abgewendet.

► Könnte sich von hier aus ein Weg zu einem Verständnis erschließen, das den Tod Jesu zwar als einen anderen zugutekommenden Tod deutet, aber dieses »Für« nicht in der Sündenvergebung erkennt, sondern im selbstlosen Einsatz für andere?

  • Problem I: Dass Jesu Tod im bezeichneten Sinn als ehrenvoller Tod, als »noble death«, wahrgenommen werden konnte, wird schon durch die schändliche Hinrichtungsart durchkreuzt.
  • Problem II: Die Heilswirkung des Todes ist nicht unmittelbar wahrnehmbar. Dass der Tod Jesu anderen Leben eröffnet, zeigt sich nicht darin, dass eine Stadt vor Zerstörung bewahrt, eine Katastrophe abgewendet wird oder anderen das physische Todesgeschick erspart bleibt. Das »Für« dieses Todes liegt auf einer anderen Sinnebene, und die wird durch die ausführlichen Formulierungen angezeigt: Der Tod Jesu bewahrt andere insofern vor dem Tod, als er »für die Sünden« geschehen ist, also den Zusammenhang von Sünde und Todesgericht aufhebt. Die Für-Formeln »implizieren eine ›Sühnevorstellung‹« (C. Breytenbach).

    Dieser Konsequenz ist nur dann zu entgehen, wenn sich ein Deutungsrahmen erkennen lässt, der die Lebenshingabe Jesu mit einer anderen Sinngebung verbindet.
    Dies könnte in der »Gesandten-Christologie« des Johannes-Evangeliums grundsätzlich der Fall sein: Jesus wird dargestellt als der Offenbarer Gottes, dessen Weg durch seinen Tod als Rückkehr zu Gott vollendet wird. Durch diese Rückkehr ist für die Glaubenden der Weg zu Gott und Leben eröffnet (3,13–15; 12,32; 14,2f.; 7,39). So kann die Bedeutung des Todes Jesu als Moment der Heimkehr zu Gott vielfach umschrieben werden, ohne dass die Sühnevorstellung aktiviert ist.
    Aber: Im Gesamtwerk findet sich auch die Verbindung von Tod Jesu und Sündenvergebung: Jesus erscheint als »Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt« (1,29). Diese Lamm-Motivik wird in der Passionsgeschichte aufgenommen, wenn Jesus zu der Zeit stirbt, zu der die Pascha-Lämmer geschlachtet werden und die Vorgänge nach seinem Tod mit einer Anspielung auf das Pascha-Lamm versehen werden (19,36).

Somit ergibt sich: Im Neuen Testament wird aufs Ganze gesehen der Tod Jesu in seiner heilsvermittelnden Bedeutung als Sühnetod verstanden, also als Tod, in dem Sündenvergebung geschieht. Dennoch kann, wie Paulus zeigt, in bestimmten Zusammenhängen auch das Moment des selbstlosen Lebenseinsatzes aktiviert sein – ohne Bezug auf Sündenvergebung.

Angesichts unterschiedlicher Haltungen in der Frage erlaubter Speisen mahnt Paulus zur Rücksichtnahme auf die »Schwachen«: »Richte durch deine Speise nicht den zugrunde, für den Christus gestorben ist« (Röm 14,15). Hier geht es allein darum, dass der Lebenseinsatz Christi umsonst gewesen wäre, wenn wegen Speisefragen ein Glaubensanstoß entstünde (s.a. 1Kor 8,11). Wer sich zu Jesu Tod »für uns« bekennt, muss daraus praktische Konsequenzen ziehen und rücksichtsloses Verhalten anderen gegenüber vermeiden.

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3.4 Warum kam es zur Sühne-Deutung?

Hilfreich für das Verständnis der aus heutiger Sicht schwierigen Sühnetod-Deutung könnte auch ein Blick auf deren Entstehung sein: Sie wurzelt in gedeuteter Erfahrung, nicht in abstrakten theologischen Überlegungen über Gott und sein Handeln (zur Diskussion um Jesu Todesverständnis s.u. C.)

(1) Die Situation der Jünger nach dem Tod Jesu

Nach dem Karfreitag war der Jüngerkreis Jesu zunächst auseinandergefallen. Der Tod Jesu am Kreuz war für die Jünger das Ende der Hoffnungen, die sie in Jesus und seine Botschaft vom Reich Gottes gesetzt hatten. Sie flohen bei der Verhaftung Jesu und kehrten nach Galiläa zurück. Erst durch die Ostererfahrung kam es zur erneuten Sammlung als Jüngerkreis, weil das Kreuz nun nicht mehr als das letzte Wort über den Gekreuzigten erschien.

Mit Ostern ging den Jüngern auf: Gegen allen Anschein war Jesus nicht gescheitert und von Gott verflucht; vielmehr hat sich Gott auf die Seite des Gekreuzigten gestellt, indem er ihn auferweckt, in gottgleiche Macht eingesetzt und zur entscheidenden Heilsgestalt bestimmt hat.

Von diesem Osterglauben her musste notwendig ein neues Licht auf das Kreuz fallen: Es konnte nun nicht mehr ein Ort der Gottesferne sein. Wenn Gott sich so auf die Seite Jesu stellt, wie es der Osterglaube bekennt, dann konnte er auch im Kreuz Jesu nicht abwesend gewesen sein. Das bedeutet: Kreuz und Tod Jesu müssen einen positiven Sinn haben, sowohl für das Verhältnis Jesu zu Gott als auch für das Verhältnis Jesu zu den Menschen; denn um beide Verhältnisbestimmungen geht es auch im Osterglauben.

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(2) Die Stärke der Sühne-Kategorie

In dieser Situation lag das Verständnis des Todes Jesu als stellvertretende Sühne durchaus nahe. Es bot jedenfalls die Möglichkeit, Auferstehung und Kreuz eng miteinander zu verbinden: Ostern eröffnete die Einsicht in die Bedeutung Jesu für die Menschen, die von Gott bestimmt wurde (z.B. Apg 4,11f.: In keinem anderen ist Heil zu finden); diese Bedeutung Jesu kann nun auch schon im Kreuz erkannt werden, wenn sein Tod als stellvertretende Sühne verstanden wird, als Tod, in dem die unheilvollen Folgen der Sünde aufgefangen wurden. Jesus kann dann als Heilsmittler schon in seinem Tod gesehen werden. Gott bietet den Tod des Schuldlosen als den Ort an, an dem das eigentlich verwirkte Leben der Sünder stellvertretend in den Tod gegeben wurde, ohne sie zu zerschlagen.

»Gott braucht diesen Tod nicht, Gott fordert ihn nicht und Gott lässt ihm nicht das letzte Wort. Jede uns zugutekommende heilvolle Bedeutung des Todes Jesu gründet im untrennbaren Zusammenhang von Kreuzestod und Auferweckung« (M. Frettlöh).

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B

B. Ausgangstexte: Mk 14,22–25 / 15,33–39 / 16,1–8

1. Der größere Zusammenhang: ein Durchgang durch die Markus-Passion

Der hier gebotene Durchgang durch die Passionsgeschichte des MkEv bezieht sich nicht direkt auf die im Kernkurrikulum zum Staatsexamen genannten Ausgangstexte. In diesem Zusammenhang sind allein die drei in der Überschrift genannten Abschnitte erwähnt (»Die Passionserzählung des Markusevangeliums anhand folgender Textabschnitte: Mk 14,22–25; 15,33–39; 16,1–8«). Für deren Verständnis ist ein Überblick über den Erzählzusammenhang im Ganzen aber sicher förderlich. Deshalb ist dieses erste Kapitel den Ausgangstexten vorgeschaltet.

Inhaltsverzeichnis

1.1 Vom Todesbeschluss zum Verrat des Judas (14,1–11)

In 14,1 liegt ein Einschnitt vor, da die Hohenpriester mit ihrem Tötungsvorhaben nicht auf eine Tat oder Rede Jesu reagieren. Auch die ausführliche Zeitangabe (»das Paschafest und das Fest der ungesäuerten Brote nach zwei Tagen«) markiert einen erzählerischen Neueinsatz.

In der Salbungsgeschichte bleibt das Thema der Passion präsent, da Jesus die Handlung der Frau auf sein Begräbnis hin deutet. Dass Jesus um seinen baldigen Tod weiß, zeigt (wie auch die in V.2 benannten Vorsichtsmaßnahmen) die begrenzte Macht der Hohenpriester.

Judas bietet den Hohenpriestern die Gelegenheit, nach der sie gesucht haben. Zugleich eröffnet sein Verrat den weiteren Erzählgang: Er sucht nun nach jener günstigen Gelegenheit (V.11).

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1.2 Das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern (14,12–25)

Allein in der Frage der Jünger nach der Vorbereitung des Mahles (VV.12–16) wird dieses als Pascha-Mahl gekennzeichnet (V.12). Der Verlauf des Mahles gibt keinen Hinweis darauf, dass ein Pascha-Mahl gehalten wird. Die recht ausführliche Schilderung der Vorbereitung dient vor allem der Darstellung des überlegenen Wissens Jesu um die kommenden Ereignisse.

Dies zeigt sich auch im ersten Teil der Mahlszene (VV.17–21), in der Jesus den Verrat ankündigt, ohne allerdings den Verräter zu bezeichnen. Die Unruhe unter den Zwölfen könnte deren späteres Versagen andeuten. Bei der Gefangennahme erfüllt sich die Ankündigung Jesu (VV.43–45).

Im zweiten Teil der Mahlszene (VV.22–25) blickt Jesus auf seinen Tod voraus und deutet ihn. Als Heilstod erscheint er allein im Zusammenhang des Becherwortes: der Wein wird als Blut des Bundes bezeichnet (s. Ex 24,8), das für viele ausgegossen wird (wahrscheinlich eine Anspielung auf Jes 53).

Eine zweite Todesdeutung findet sich im sogenannten »eschatologischen Ausblick« (V.25). Hier wird dem Tod Jesu keine Heilsbedeutung zugeschrieben. Jesus bekundet sein Vertrauen auf das Kommen der Gottesherrschaft und seiner Teilhabe an ihr trotz seines Todes.

Ausführlicher zu Mk 14,22–25 s.u. B.2.

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1.3 Auf dem Weg zum Ölberg (14,26–31)

Der Blick weitet sich nun auf alle Jünger. Zwar geht es besonders um das Versagen des Petrus, der sich aus dem angekündigten Fehlverhalten ausnehmen will, woraufhin ihm ein noch größeres angekündigt wird: die Verleugnung Jesu (VV.29f.). Es sind aber schließlich alle Jünger, die zu viel versprechen (V.31).

Die kleine Szene weist zahlreiche Verbindungen zur weiteren Passionsgeschichte auf: Angekündigt wird die Jüngerflucht (erzählt in 14,50) und die Verleugnung durch Petrus (erzählt in 14.66–72); auch auf die Auferstehung wird vorausgeblickt (der Engel im Grab greift das auf: 16,7)

Kurz leuchtet ein österliches Licht auf, auffallenderweise aber nicht an dem Punkt, an dem Jesus erniedrigt wird, sondern im Zusammenhang mit dem Versagen der Jünger.

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1.4 Im Garten Getsemani (14,32–42)

Das Thema des Jüngerversagens wird an den drei besonders ausgezeichneten Jüngern fortgeführt: Petrus, Jakobus und Johannes erscheinen im Verlauf des Wirkens Jesu in größerer Nähe zu Jesus (sie gehören zu den Erstberufenen; sie werden als erste in der Zwölferliste genannt; s.a. Mk 5,37; 9,2; 13,3). Der besonderen Erwählung entspricht die besondere Gefährdung: die Jünger schlafen ein (zu Jakobus und Johannes s.a. 10,35–40; zu Petrus 14,66–72).

Im Gebet Jesu zeigt Mk die Not Jesu, zugleich aber auch die Ergebung in den Willen Gottes. Die Abba-Anrede drückt das Vertrauen in Gott besonders nachdrücklich aus. Jesus geht auch nach dem Markus-Evangelium nicht verzweifelt in den Tod, sondern nimmt sein Geschick an.

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1.5 Die Gefangennahme (14,43–52)

Der Faden des Judas-Verrates wird aufgegriffen. Judas identifiziert Jesus und verschwindet danach von der Bildfläche. Hintergründe des Verrats bleiben ebenso unberücksichtigt wie das weitere Geschick des Verräters. Dessen Tat bliebt als Rätsel stehen.

Zwei Besonderheiten der Szene könnten auf historische Erinnerung zurückgehen: (1) Dem Diener des Hohenpriesters wird ein Ohr abgeschlagen (bei Mk nicht ausdrücklich durch einen Jünger). (2) Ein junger Mann wird am Gewand ergriffen und flieht nackt.

Jesus erscheint zwar nicht so souverän wie in der johanneischen Verhaftungsszene (Joh 18,1–11), bleibt aber nicht rein passiv: Er weist auf das Unrecht der heimlichen Verhaftung hin (14,48f.) und gibt mit dem Verweis auf die Erfüllung der Schriften (V.49fin) eine Deutung des Geschehens, die die ganze Passionsgeschichte durchzieht.

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1.6 Verhör vor dem Hohen Rat – Verleugnung des Petrus (14,53–72)

Nach der Gefangennahme verschränken sich zwei Erzählfäden: die Eröffnung der Verhörszene (V.53) und die Vorbereitung der Verleugnungsgeschichte (V.54).

Im Verhör zeigen sich zunächst Schwierigkeiten, Jesus ein todeswürdiges Vergehen nachzuweisen: Es treten nur Falschzeugen auf; auch das Tempelwort (V.58) wird als Falschzeugnis bezeichnet (historisch ist hier am ehesten der Ansatzpunkt für Verhaftung und Verurteilung zu sehen).

Der Hohepriester stellt Jesus daraufhin vor die Bekenntnisfrage (V.61). Dass Jesus sich zur messianischen und zur Würde als kommender Menschensohn bekennt (V.61), wird vom Hohenpriester als Lästerung gewertet (VV.63f.).

Historisch ist dieser Zusammenhang unwahrscheinlich: Die Erhebung eines messianischen Anspruchs ist keine Lästerung. Die Reaktion des Hohenpriesters ist wohl vor dem Hintergrund der Konsequenzen zu sehen, die im Urchristentum aus dem Bekenntnis zum Messias Jesus gezogen wurden: im Blick auf eine hoheitliche Christologie oder die Relativierung der Tora und Öffnung zu den Heiden hin. Dies ist auf der literarischen Ebene vorausgesetzt, wenn der Hohepriester das Bekenntnis Jesu zu seiner Würde als Lästerung bezeichnet.

Zum ersten Mal bekennt sich Jesus im Markus-Evangelium öffentlich zu seiner Würde: In der Passion ist eindeutig, dass die Hoheit Jesu den Weg in die Niedrigkeit einschließt. Die Darstellung passt sich also in das Messiasgeheimnis ein, das die Darstellung des Wirkens Jesu nach Markus durchzieht. Jesu Gottessohnschaft soll nicht bekannt werden, weil Jesus nicht allein als hoheitlicher Wundertäter gesehen werden soll (s. 3. zum Tod Jesu). Und wie auf das Messiasbekenntnis des Petrus die erste Leidensankündigung folgt (8,29–31), so wird Jesus auf sein Bekenntnis hin zum Tod verurteilt und anschließend angespuckt, geschlagen und verspottet.

Diesen erniedrigten Jesus verleugnet Petrus, der sich also gerade von dem geschmähten Jesus lossagt – durch die Verschränkung der beiden Erzählfäden wird dieser Aspekt besonders deutlich.

Trotz dieser Kritik ist Petrus der einzige Jünger, der überhaupt noch in der Szene anwesend ist, und er erkennt sein Versagen (V.72). So führt eine Linie von diesem Versagen zu seiner besonderen Bedeutung, die im Wort des Engels im Grab aufscheint: Petrus ist dort aus der Gruppe der Jünger herausgehoben (16,7).

Mit Petrus verschwindet der letzte männliche Jünger aus der Passionsgeschichte. In der Erzählung vom Tod Jesu erscheinen Frauen, die Jesus nachgefolgt waren und bis zum Schluss ausgehalten haben (15,40f.).

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1.7 Verhör vor Pilatus (15,1–15)

Das Gespräch zwischen Pilatus und Jesus ist schnell beendet. Nach der mehrdeutigen Antwort auf die Frage, ob er der König der Juden sei (»du sagst es«) schweigt Jesus. Im Folgenden spricht Pilatus nur noch mit den Anklägern.

Die Barabbas-Szene unterliegt insofern historischem Zweifel, als sich eine Gewohnheit zur Festtags-Amnestie nicht nachweisen lässt. Außerdem ist Jesus zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht verurteilt, so dass man nicht von einer Amnestie sprechen könnte. Literarisch dient die Szene dazu, die jüdische Obrigkeit als treibende Kraft hinter der Verurteilung Jesu darzustellen.

Die Rolle des Pilatus bei der Verurteilung Jesu wird zurückgenommen: Er bietet Jesus zur Freilassung an (V.9); er weiß um das wahre Motiv der Auslieferung Jesu (Neid: V.10); er fragt, was Jesus denn Böses getan habe (V.14), erkennt nichts Verurteilens­wertes; er verurteilt Jesus nur, um Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten (V.15).

Dieses Bild stimmt nicht überein mit dem, was aus anderen Quellen über die Regierungs­weise des Pilatus bekannt ist (s.a. Lk 13,1). Die Differenz erklärt sich aus dem Anliegen der urchristlichen Überlieferung. Dass Jesus von einem römischen Präfekten als politischer Rebell (»König der Juden«) hingerichtet worden war, bedeutete eine Belastung der christlichen Gemeinden im Römischen Reich. Dem Anliegen zu zeigen, dass man keine gegen Rom gerichteten politischen Ansprüche hatte, diente die Darstellung des Pilatus im Prozess Jesu: Er hat Jesus nicht deshalb verurteilt, weil er in ihm einen Aufrührer erkannt hätte.

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1.8 Verspottung durch die Soldaten (15,16–20a)

Die Verspottung knüpft an die Verteilung als König der Juden an – Jesus erhält Abzeichen königlicher Würde: Purpurgewand und (Dornen-)Krone. Zwar wird Jesus auch misshandelt (V.19), dennoch überwiegt das Moment der Verspottung (V.18.19c.20).

Die Verspottung ist hintergründig zu lesen im Blick auf den Königstitel: Die Soldaten huldigen sarkastisch einem, der als Messias wirklich ein König ist – ein König in der äußersten Niedrigkeit.

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1.9 Kreuzigung und Tod Jesu (15,20b–41)

(1) Der Weg zur Hinrichtungsstätte und Kreuzigung (VV.20b–27)

Der Weg zur Hinrichtungsstätte wird knapp erzählt. Die Notiz zu Simon von Kyrene gibt wohl ein historisches Detail wieder: Es ist kein Motiv für eine spätere Entstehung erkennbar, auch die Namen der Söhne des Simon weisen auf historische Erinnerung.

Die Grausamkeit der Kreuzigung wird nicht ausgemalt, nur kurz heißt es: »Sie kreuzigen ihn« (V.24). Der Titel »König der Juden« als Angabe der Schuld ist historisch glaubwürdig. Er ist, weil politisch kompromittierend, kaum von den ersten Christen erfunden worden. Die Römer sind gegen auch nur vermeintliche politische Unruhestifter kompromisslos vorgegangen.

Die Erwähnung der Mitgekreuzigten ist möglicherweise als Inszenierung des Hofstaats des gekreuzigten Königs zu verstehen, so dass die Verspottung fortgesetzt wird. Denkbar ist auch eine Anspielung auf Ps 22,17 (»eine Rotte von Bösen hat mich umkreist«) oder Jes 53,12 (»den Übeltätern zugerechnet«).

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(2) Die Verspottung des Gekreuzigten (VV.29–32)

Die dritte Verspottungsszene (nach 14,65; 15,16–20a) umfasst drei Gruppen von Spottenden: Vorübergehende (also ist nicht an eine Massenszene gedacht), Hohepriester, Mitgekreuzigte.

Insofern die Spottenden lästern, sind sie als Sünder gekennzeichnet. Ihr Spott ist zum einen mit dem Wort vom Abreißen des Tempels und dem Wiederaufbau eines neuen Tempels verbunden (V.29), zum andern mit dem Messias- und Königstitel. Der Spott setzt am Kontrast zwischen beanspruchter Vollmacht und hilfloser Lage an. Das Kreuz wird als Widerlegung dieses Anspruchs verstanden. Dagegen sieht der Evangelist in der Ohnmacht Jesu den Gehorsam dem Willen Gottes gegenüber.

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(3) Der Tod Jesu (VV.33–39)

s.u. 3.

(4) Frauen als Zeuginnen (VV.40f.)

Die namentlich genannten Frauen, die »von ferne schauten« (V.40), werden durch den Begriff der Nachfolge als Jüngerinnen Jesu vorgestellt.

Sie sind die einzigen, die aus dem Jüngerkreis noch übriggeblieben sind, und so das personale Bindeglied zwischen dem Karfreitag und der Osterverkündigung im leeren Grab. Zwei erscheinen auch als Zeuginnen der Grablegung (15,47). Sie spielen also eine wichtige Rolle für den auf Ostern zulaufenden Spannungsbogen.

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1.10 Die Grablegung (15,42–47)

Der Erzählabschnitt dient der Überleitung zur Geschichte von der Auferweckungsbotschaft im leeren Grab. Josef von Arimathäa wird nicht ausdrücklich als Jünger präsentiert, sondern über die Ausrichtung auf die Gottesherrschaft in eine gewisse Nähe zu Jesus gerückt. In der Erzählung bleibt das Motiv für sein Handeln dennoch offen.

Falls historische Erinnerung bewahrt sein sollte, könnte sich Josef als Ratsherr um die kultische Reinheit des Landes gesorgt und deshalb auf die Abnahme der Leichen vom Kreuz hingewirkt haben, müsste also nicht aus Sympathie für die Jesus-Bewegung gehandelt haben.

Die zweite erzählerische Funktion (neben der Vorbereitung von 16,1–8) ist die Versicherung, dass Jesus wirklich gestorben ist (VV.44f.). Zu Mk 16,1–8 s.u. 4.

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2. Das letzte Mahl (Mk 14,22–25)

Inhaltsverzeichnis

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2.1 Zur Überlieferungsgeschichte der Abendmahlstradition

(1) Vergleich der beiden Traditionsstränge

Die Abendmahlstradition ist in zwei Überlieferungssträngen bezeugt.

  • Eine Linie wird von Markus und Matthäus bezeugt (Mk 14,22–25; Mt 26,26–30),
  • die andere von Lukas und Paulus (Lk 22,15–20; 1Kor 11,23–25). Genauer ist zu sagen: Lukas zeigt Spuren beider Stränge, er hat die Mk-Vorlage mit Elementen der anderen Traditionslinie verbunden.

Die folgende Synopse stellt die literarisch ältesten Bezeugungen der beiden Stränge einander gegenüber. Eine Synopse aller vier Versionen mit Markierung der verschiedenen Übereinstimmungen findet sich am Ende des Dokuments.

Mk 14,22–25 1Kor 11,23–26
Und während sie aßen, Der Herr Jesus
nahm er nahm in der Nacht,
  in der er überliefert wurde,
Brot, Brot,
sprach den Lobpreis dankte,
brach es, brach es
und gab es ihnen  
und sprach: und sprach
Nehmt,  
dies ist mein Leib. dies ist mein Leib
  für euch. Dies tut zu meinem Gedächtnis.
Und er nahm Gleichfalls auch
den Becher, den Becher
  nach dem Mahl,
dankte und gab ihn ihnen.  
Und sie tranken aus ihm alle.  
Und er sprach zu ihnen: indem er sagte
Dies ist mein Dieser Becher ist der
Blut des Bundes, neue Bund in meinem Blut.
das ausgegossen wird für viele.  
  Dies tut, so oft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis.
Amen, ich sage euch: Nicht mehr werde ich trinken vom Gewächs des Weinstocks bis zu jenem Tag, an dem ich von neuem trinke im Reich Gottes. So oft ihr nämlich dieses Brot esst und diesen Becher trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

(1) Wenn wir die beiden Formen miteinander vergleichen, zeigen sich zunächst folgende Gemeinsamkeiten des Handelns Jesu beim letzten Mahl:

  • Jesus nimmt Brot.
  • Er bricht das Brot.
  • Er deutet das Brot als (seinen) Leib.
  • Er nimmt den Becher/gleichfalls den Becher.
  • Jesus deutet diese Handlung, indem er eine Beziehung zu seinem Blut und dem Bund herstellt.

Vor dem Brechen des Brotes ist bei Mk und Mt eine Segenshandlung, bei Lk und Paulus das Danken eingefügt.

(2) Die wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Traditionssträngen bestehen in fünf Punkten.

  • Die mk/mt Linie bietet eine Aussage über die Heilsbedeutung des Todes Jesu nur im Rahmen des Becherwortes (Mk 14,24; Mt 26,28), während Paulus und Lukas beim Brotwort vom »Leib für« sprechen (Lk kombiniert beide Linien).
  • Nach Mk und Mt ist das Blut für viele ausgegossen; folgt man der Fassung von Lukas und Paulus, hat Jesus die anwesenden Jünger angesprochen: für euch.
  • Das Bundesmotiv ist unterschiedlich ausgerichtet. In 1Kor 11,25; Lk 22,20 ist in Aufnahme von Jer 31 die Rede vom neuen Bund; dagegen ist der Bezug auf das Bundesblut in Mk 14,24; Mt 26,28 als Anspielung auf Ex 24,8 und damit auf die Schließung des Sinai-Bundes zu verstehen.
  • Einen Wiederholungsauftrag kennt nur die pl/lk Linie: »Tut dies zu meinem Gedächtnis«. Lukas bietet dies nur im Zusammenhang des Brotwortes, Paulus auch nach dem Becherwort (»dies tut, sooft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis«).
  • In Mk 14,25 par. Mt 26,29 begegnet der sogenannte »eschatologische Ausblick«, den Lukas vor die Abendmahlsworte gesetzt hat, im Zusammenhang eines eigenen Becherwortes (22,18, s.a. 22,16).

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(2) Möglicherweise sekundäre Elemente

Die Frage, welche der beiden Fassungen größeren Anspruch auf Ursprünglichkeit erheben kann, wird kontrovers diskutiert. Dabei kann es nicht um ein Entweder-Oder gehen, sondern nur um die Frage, welche Fassung bei der Rekonstruktion dominiert. So wird wohl meist eine Mischung aus Elementen beider Traditionslinien als ursprünglich vorgeschlagen. Folgende Elemente müssen m.E. als sekundär gelten:

  • Die Formulierung »für euch« berücksichtigt die Abendmahl feiernde Gemeinde und ergäbe im Zusammenhang des letzten Mahles Jesu keinen rechten Sinn. Warum sollte Jesus gerade den Jüngern das sühnende Sterben zueignen? Dass »für viele« sekundäre Angleichung an Jes 53,12 sei, ist demgegenüber weniger wahrscheinlich, zumal die Anspielung undeutlich bleibt (keine wörtliche Übereinstimmung, auch nicht mit der LXX).
  • Der Wiederholungsbefehl (»tut dies zu meinem Gedächtnis«) erklärt sich ebenfalls am besten aus der liturgischen Herrenmahlfeier der Gemeinde, die ihr Tun ausdrücklich auf Jesus zurückführt. Eine sekundäre Tilgung in der mk/mt Linie ist nicht erklärbar.
  • Diejenigen Elemente, die eine stringentere parallele Gestaltung ergeben:
    • das Nehmen des Bechers, Danken und Geben des Bechers in der mk/mt Linie;
    • die Form des Becherwortes bei Mk und Mt, die stärker an das Brotwort angeglichen ist als das der pl/lk Linie;
    • der Wiederholungsauftrag;
    • die doppelte soteriologische Bestimmung bei Lk: »für euch« beim Brot- und beim Kelchwort.

Zwar weisen nicht alle Beobachtungen in dieselbe Richtung, doch könnte sich aus dieser Übersicht ein Hinweis ergeben, dass die Suche nach der ursprünglichen Form der Abendmahlstradition vor allem an der mk Fassung ansetzen muss.

Dafür spricht eine weitere Beobachtung. Nur in dieser Linie ist ein Spruch belegt, der Jesu Tod im Zusammenhang mit der Gottesherrschaft erwähnt (Mk 14,25). Dies dürfte ein Indiz dafür sein, dass die Suche nach der »Jesus-Stufe« hier ansetzen muss. Tatsächlich lässt sich m.E. aus Mk 14,22–25 eine Fassung rekonstruieren, die sich

  1. sinnvoll ins Wirken Jesu zurückverfolgen lässt und die
  2. als Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung verständlich gemacht werden kann.

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(3) Der Ansatzpunkt bei Mk 14,24f.

Ausgangspunkt der Beobachtungen ist der »eschatologische Ausblick« (Mk 14,25) und die Frage, wie er sich in das Gesamt des Textes einfügt. Dazu fallen zwei Dinge auf:

  1. Außer der Tatsache, dass inhaltlich der Tod Jesu die entscheidende Rolle spielt, gibt es keinen inneren Zusammenhang zwischen V.24 und V.25. Die nachfolgende Aussage nimmt nicht ein Stichwort aus der vorangegangenen auf.
  2. Über das Deutewort zum Becher hinweg zeigt sich ein Zusammenhang mit der Notiz vom Trinken aller (V.23). Das Stichwort »trinken« wird aufgenommen: »sie tranken alle aus ihm (dem Becher)« – »ich werde nicht mehr trinken…«. Der Anschluss von V.25 an V.23 ist also viel enger als an V.24.

Hält man den Zusammenhang von V.23 und V.25 für ursprünglich, würde sich auch die Auffälligkeit erklären, dass Jesus erst seinen Tod deutet (V.24), ehe er von der Gewissheit seines Todes spricht (V.25): Das Element der Deutung wäre nachträglich hinzugekommen. Mit diesem Wachstum wäre auch verständlich, warum die Worte zum Becher strukturell ein solches Gewicht einnehmen gegenüber dem Brotwort.

Ist das Becherwort Mk 14,24 sekundär, ergäbe sich eine Rekonstruktion der Abendmahls­worte, in der die Sühnedeutung des Todes Jesu fehlt (s.a. die Überlegungen unter C. 2.).

Jesus nahm Brot, sprach den Lobpreis/dankte, brach es und gab es den Jüngern und sprach: »Das ist mein Leib.« Gleichfalls den Becher (nach dem Mahl), und sie tranken aus ihm alle. Und er sprach zu ihnen: »Amen ich sage euch: Ich werde nicht mehr trinken vom Gewächs des Weinstocks bis zu jenem Tag, an dem ich von neuem trinke im Reich Gottes.«

2.2 Brot- und Becherwort beim letzten Mahl Jesu (historische Ebene)

Hinter Mk 14,22–25 ist nach den obigen Überlegungen eine ältere Überlieferungsform zu erkennen, in der Brot und Becher eine Rolle spielten, eine Deutung des Todes Jesu als sühnendes Sterben aber noch fehlt.

(1) Brotwort

Wenn die Gabe des Brotes begleitet war von den Worten »das ist mein Leib«, könnte im gebrochenen Brot die Erwartung des Todes angedeutet sein. Hinter dem griechischen Wort für »Leib« dürfte das aramäische gufa stehen. Damit ist nicht allein der Körper bezeichnet, sondern der Mensch als Person, in seiner Individualität. »Das ist mein Leib« würde also bedeuten »das bin ich«. Es wäre noch kein soteriologisches Element mit dem Brot­wort verbunden (also: der für euch gegebene Leib). Dennoch wäre verständlich, wie sich diese Todesdeutung nachösterlich mit dem Brotwort verbinden konnte.

Mit dem Deutewort »das ist mein Leib« könnte aber auch ein weiterer Gedanke verbunden sein. Da Jesus das Brot seinen Jüngern gibt, würde Jesus die Jünger der bleibenden Gemeinschaft mit ihm versichern – über den Tod hinaus (A. Vögtle). Im gebrochenen und geteilten Brot bleibt er unter ihnen gegenwärtig.

Ein solches Verständnis könnte gut erklären, dass die Jünger nach Ostern zusammenkamen zum gemeinsamen Mahl und Brotbrechen in Erinnerung an das letzte Mahl Jesu. Auch in diesem Fall wäre verständlich, dass sich die Deutung des Todes Jesu als heilswirkendes Sterben auch an das Brot­wort heften konnte: Sie ließ sich mit der Gabe des Brotes an die Jünger verbinden (»Leib für euch«).

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(2) Becherwort

Versteht man den »eschatologischen Ausblick« als ursprüngliches Becherwort, dann liegt kein unmittelbarer Bezug zum Todesgeschick Jesu vor. Jesus nimmt vielmehr das Trinken aus dem Becher zum Anlass, von seinem Tod zu sprechen: Es ist das letzte Mal, dass er Wein trinkt; und er versichert seine Jünger des Kommens der Basileia trotz seines Todes (Näheres s.u. in C. 2.).

Insofern Jesus das Weintrinken als Bild für die vollendete Basileia gebraucht (Mk 14,25), könnte er seinen Jüngern (wohl auch im Rückgriff auf die zurückliegenden Mahlfeiern) ein Zeichen hinterlassen haben, das ihnen das endgültige Kommen der Gottesherrschaft verbürgte.

In diesem Rahmen könnte das gemeinsame Trinken aus einem Becher (wenn es denn nicht urkirchliche Praxis spiegelt) auf die Jüngergemeinschaft bezogen sein, die durch den Tod Jesu nicht abbrechen, sondern weiterbestehen soll im Blick auf die Vollendung der Basileia.

Es bleibt also vieles offen. Dies hängt nicht nur mit Unsicherheiten in der Rekonstruktion des Umfangs der ursprünglichen Tradition zusammen. Worte und Gesten bleiben in der dargestellten Knappheit mehrdeutig, so dass man über die Rekonstruktion von Möglichkeiten kaum hinauskommt. Der vorgestellte Kernbestand hätte allerdings den Vorteil, dass er in der Frage, wie sich die Deuteworte der Abendmahlstradition entwickelt haben, alle Möglichkeiten offenlassen würde.

So könnte z.B. die Tatsache berücksichtigt werden, dass das Becherwort der pl/lk Linie darin einen ursprünglicheren Eindruck macht als Mk 14,24, dass es nicht so stark an das Deutewort vom Brot angeglichen ist. In der rückblickenden Perspektive nach Ostern konnte der »eschatologische Ausblick« »den Wiederholungsauftrag und die Bundesstiftung aus sich heraus freisetzen« (H.-J. Klauck).

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2.3 Auslegung im Rahmen der Passionsgeschichte

Und während sie aßen, nahm er Brot, segnete, brach und gab es ihnen und sprach: Nehmt, dies ist mein Leib! 23 Und er nahm einen Kelch, dankte und gab ihnen (den); und sie tranken alle daraus. 24 Und er sprach zu ihnen: Dies ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. 25 Wahrlich, ich sage euch, dass ich nicht mehr von dem Gewächs des Weinstocks trinken werde bis zu jenem Tag, da ich es neu trinken werde im Reich Gottes.

(1) Kontext und Aufbau

Die Perikope ist eingebunden in die Mahlszene, die in V.17 beginnt, nachdem deren Vorbereitung in 14,12–16 ausführlich geschildert wurde – zugleich der einzige ausdrückliche Hinweis, dass es sich um ein Paschamahl handelt (14,12). Die Mahlszene ist in zwei Abschnitte geteilt: Im ersten (VV.17–21) geht es um die Ansage des Verrats, mehrfach kontextuell verknüpft. Judas hatte den Verrat bereits mit den Hohepriestern vereinbart (14,10–12), später wird er ihn, wie angekündigt, ausführen (14,43–45). Zum mk Jüngerbild passt die Unsicherheit, die durch die Ankündigung ausgelöst wird: Niemand schließt sich aus (»doch nicht etwa ich?«).

Die Abendmahlstradition fügt sich ohne genauere Zuordnung einfach zeitlich in die Mahlszene ein (»während sie aßen«). Es lässt sich eine Dreiteilung erkennen: Brotwort (V.22), Becherhandlung und Notiz vom Trinken (V.23) und Becherwort (VV.24f.). Durch die Notiz vom Trinken ist das Becherwort etwas abgesetzt von der Becherhandlung. Während im Fall des Brotes nicht ausdrücklich gesagt wird, dass die Jünger aßen, wird der Becher erst gedeutet, nachdem alle aus ihm getrunken haben.

V.26 gehört zur nächsten Szene, auch wenn der zu Beginn (in partizipialer Form: ὑμνήσαντες) erwähnte Lobgesang noch im Abendmahlssaal zu lokalisieren ist. Die Haupthandlung ist bereits auf den Gang zum Ölberg gerichtet.

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(2) V.22

Das Segensgebet vor dem Essen sowie das Brechen und Verteilen des Brotes fügen sich gut in die (dreigängige) jüdische Festmahlpraxis ein: Es handelt sich um die Eröffnung der Hauptmahlzeit. Dies wird hier allerdings nicht in dieser Weise deutlich gemacht, da das Mahl bereits im Gange ist und die geschilderten Handlungen als Abschluss des Mahles erscheinen. Es folgt nur noch der Lobgesang (s. V.26). Dies verdankt sich möglicherweise der liturgischen Praxis, in der Brot- und Becherhandlung an das Ende der Mahlzeit gerückt sind (s. dazu auch unten B. 2.4).

Das Brotwort ist mit keinem weiteren Kommentar versehen. Mit ihm verbindet sich keine Für-Aussage, auch das Essen des Brotes wird nicht erwähnt. Zwar setzt der Evangelist das Essen sicher voraus: Wenn Jesus das gebrochene Brot seinen Jüngern gibt mit dem Auftrag, es zu nehmen (λάβετε), dann ist das Essen des Brotes impliziert. Dass es aber nicht ausdrücklich gesagt ist (anders als beim Becher), bestärkt, dass der Hauptakzent auf der Becherhandlung und dem Becherwort liegt. Dies schließt nicht aus, dass auch für Markus das gebrochene Brot und dessen Identifizierung mit Jesus (s.o. zum »Leib«) auf den gewaltsamen Tod Jesu zu beziehen ist.

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(3) V.23

In jüdischer Praxis kann der Wein mit allen Teilen des Mahles verbunden sein; hier ist wohl angesichts der kontextuellen Einbindung (s.o. zu V.22) der Becher nach der Mahlzeit gemeint. Das Weiterreichen des einen Bechers war eher unüblich und höchstens besonders herausgehobenen Gäste vorbehalten. Hier ist aber deutlich, dass ein Becher herumgereicht wird: Alle tranken aus ihm (ἐξ αὐτοῦ).

Nach 14,12 handelt es sich um ein Paschamahl. Dies hatte nach rabbinischen Quellen folgenden Ablauf:

  • Vorspeise,
  • Paschahaggada (Erzählung vom Auszug aus Ägypten) mit Hallel I (Lobgesang),
  • Hauptmahlzeit,
  • Abschluss mit Hallel II.

Im Mahlbericht selbst wird der Paschabezug nicht deutlich, da die besonderen Speisen nicht erwähnt werden: Paschalamm, Mazzot (ungesäuerte Brote), Bitterkräuter, Fruchtmus. 14,26a (»als sie den Lobpreis gesungen hatten …«) ließe sich freilich mit Hallel II verbinden. Die Schilderung widerspricht auch nicht einem Paschamahl, es fehlen nur eindeutige Indizien. Auf der historischen Ebene ist umstritten, ob Jesu letztes Mahl ein Paschamahl war. Im JohEv ist das eindeutig nicht der Fall: Jesus stirbt zwar auch Joh zufolge an einem Freitag; dieser ist aber anders in das Paschafest eingeordnet: Es handelt sich um den Rüsttag, an dem die Paschalämmer geschlachtet werden.

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(4) VV.24f.

Das Becherwort in V.24 deutet den Tod Jesu als Heilstod: »Dies ist mein Blut des Bundes, das ausgegossen wird für viele.« Das Ausgießen des Blutes deutet auf einen gewaltsamen Tod, dieser wird aber in einen besonderen Zusammenhang gestellt: In der Rede vom Bundesblut wird gewöhnlich eine Anspielung auf Ex 24,8 und damit auf den Bundesschluss am Sinai erkannt. Dies deutet nicht auf eine Annullierung des Sinaibundes, sondern darauf, dass der Bund Gottes mit Israel endzeitlich durch den Tod Jesu in Kraft gesetzt wird. In der atl-jüdischen Tradition ist die Erwartung eines Bundeschlusses in der Endzeit bezeugt, ob als »neuer« (Jer 31,31) oder »ewiger Bund« (z.B. Jes 55,3; 61,8; Jer 32,40). In Ez 16,60 ist die Verheißung eines ewigen Bundes ausdrücklich gekoppelt an den bereits geschlossenen Bund.

Die Für-Aussage spricht nicht ausdrücklich (wie Mt 26,28) von der Sündenvergebung. Dennoch ist der Aspekt der Sühne auch für die mk Fassung des Kelchwortes anzunehmen (s. dazu oben A. 3.3).

Der Tod Jesu zugunsten der Vielen (Mk 14,24par.; vgl. auch 10,45par.) weist auf das vierte Gottesknechtslied (Jes 53), in dem wiederholt dieser Begriff erscheint. Der Gottesknecht trägt die Sünden von vielen (V.12), er macht die Vielen gerecht (V.11). Der Be­griff begegnet nicht nur, wenn es um die Bedeutung des Gottesknechtes für andere geht; er kennzeichnet auch die anderen in ihrer Stellung zum Gottesknecht: Viele haben sich über ihn entsetzt (52,14); viele Völker setzt er ins Staunen (52,15).

Setzt man diesen Hintergrund voraus, gewinnt die Sühneaussage einen deutlich universalen Akzent. Mit den »Vielen« ist nicht nur unbestimmt eine Mehrzahl bezeichnet. Unabhängig von der Frage, ob »viele« im Semitischen die Bedeutung von »alle« annehmen kann, ist das vierte Gottesknechtslied (wie auch das erste und zweite in Jes 42; 49) von einem Horizont bestimmt, der über Israel hinausgeht.

Dies ist für die urchristliche Verkündigung sicher von Bedeutung gewesen, da sie die Grenzen des Volkes Israel mit der Mission unter Samaritanern und dann unter Heiden verlassen hat. Obwohl ausdrückliche und klare Bezüge auf Jes 53 in den frühen Traditionen fehlen, dürfte diese atl Passage für die urchristliche Theologie sehr wichtig gewesen sein. Die Abendmahlstradition bietet einen der andeutenden Bezüge auf das vierte Gottesknechtslied.

Dass der Tod Jesu gedeutet wurde als stellvertretender Sühnetod, in dem universal und endzeitlich-endgültig Sündenvergebung zugesprochen wird, lässt sich aus den besonderen Bedingungen der Situation nach Karfreitag und Ostern erklären (s.o. A.3.4).

Im Rahmen des MkEv bleibt das wohl ursprüngliche Wort Jesu zum Becher in V.25 (s. dazu oben 2.2) hinter der soteriologisch gefüllten Aussage von V.24 zurück: Jesus spricht von der Gewissheit seines Todes, ohne diesem irgendeine Funktion zuzuschreiben – auch nicht für die Vollendung der Basileia. Dass Jesus an deren Erwartung angesichts des drohenden Todes festhält, ist aber auch für das Jesusbild des MkEv nicht nebensächlich.

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2.4 Zur liturgischen Prägung der Abendmahlstradition

Nur in der pl/lk Linie findet sich ein ausdrücklicher Wiederholungsauftrag: »Tut dies zu meinem Gedächtnis«. Dies weist auf eine Besonderheit der Abendmahlsüberlieferung, die trotz der begrifflichen Leerstelle auch für den mk/mt Strang gilt. Die Texte sind geprägt von der Abendmahl feiernden Gemeinde. Merkmale ihrer Liturgie fließen in die Gestaltung der Abendmahls­tradition ein, die so ätiologische Funktion gewinnt.

Damit ist gemeint: Die Gemeinde begründet mit den Abendmahlstexten ihre Feier des Abendmahls. Auf diese Weise erklären sich auch Übereinstimmungen und Differenzen in den Texten: Unterschiedliche liturgische Traditionen, die sich auf dasselbe Geschehen beziehen (das letzte Mahl Jesu), schlagen sich nieder.

Dies zeigt sich etwa daran, dass die Notiz »nach dem Mahl« (Lk 22,20; 1Kor 11,25) bei Mk und Mt fehlt. Nach Lk und Paulus sind Brot- und Becherwort durch das Mahl getrennt; Mk und Mt bieten sie zusammenhängend. Dies dürfte Reflex der liturgischen Praxis sein.

Wahrscheinlich war auch in der Herrenmahl-Feier der Gemeinde von Korinth »die Doppelhandlung zu Brot und Wein … bereits geschlossen an das Ende der Mahlzeit gerückt« (H.-J. Klauck). Doch hat dies noch nicht eingewirkt auf die Abendmahlsüberlieferung, die Paulus als Tradition zitiert (»vom Herrn empfangen«). Mk und Mt bieten also in diesem Punkt ein späteres Stadium der Herrenmahltradition, das stärker durch die liturgische Feier der Gemeinde geprägt ist.

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3. Der Tod Jesu am Kreuz (Mk 15,33–39)

Inhaltsverzeichnis

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3.1 Kontext und Aufbau

Die Kreuzigungsszene hat in 15,25 eine Zeitangabe eingeführt, die nun aufgegriffen wird. Gekreuzigt wurde Jesus um die dritte Stunde, also um 9 Uhr morgens. Daran knüpft der Beginn dieser Perikope an, wenn es heißt, dass von der sechsten bis zur neunten Stunde eine Finsternis über die ganze Erde kam (V.33). Damit ist das folgende Geschehen zeitlich vom vorherigen abgesetzt, da ein Zeitraum von drei Stunden am Beginn steht, in dem nichts geschieht.

Was nun folgt, ist zugleich der Zielpunkt des Handelns der Gegner Jesu. Der Hohe Rat hat Jesus des Todes schuldig gesprochen (14,64; s. bereits 3,6 zu Pharisäern und Herodianern), Pilatus hat Jesus ausgeliefert, »damit er gekreuzigt würde« (15,15). Aus Jesu Sicht erfüllt sich nun, was er seinen Jüngern wiederholt angekündigt hat: in den Leidensweissagungen (8,31; 9,31; 10,30–32) wie auch im Ausblick auf seinen Tod in der Passionsgeschichte (14,8.21.22–25).

Mit dem Wort des Hauptmanns unter dem Kreuz endet die Perikope. In V.40 wechselt die Szene in lokaler Hinsicht. Erwähnt werden die Frauen als »von ferne« stehend. Ihre Tätigkeit ist allein das Schauen. Der Abschnitt ist deutlich auf den weiteren Erzählgang ausgerichtet, auf Grablegung und Grabbesuch.

Die Szene lässt sich in drei Abschnitte gliedern:

  • V.33: Notiz über die dreistündige Finsternis
  • VV.34–37: Jesu Tod
  • VV.38f: Reaktionen auf Jesu Tod

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3.2 Auslegung

(1) V.33

Dass die Szene mit einer dreistündigen Finsternis beginnt, ist ein erster Hinweis, dass Jesu Tod nicht einfach berichtet wird, sondern dessen Bedeutung dargestellt werden soll. Es kann sich nicht um eine gewöhnliche Sonnenfinsternis handeln, denn es wird auf der ganzen Erde dunkel (wenn man das griechische Wort γῆ/gē nicht mit »Land« übersetzt). In jedem Fall schließt die Verbindung des Pascha-Festes mit dem Frühlingsvollmond eine natürliche Sonnenfinsternis aus.

Dass die Sonne nicht mehr scheint, gehört in der Apokalyptik zu den Schrecken der Endzeit, die den Einbruch der neuen Welt Gottes unmittelbar ankündigen. So könnte sich auch erklären, dass die Finsternis bis zum Tode Jesu dauert, also nicht mit ihm einsetzt. Es geht demnach nicht um ein Motiv, das die Trauer der Erde über den Tod eines bedeutenden Menschen ausdrücken würde. Vielmehr: Die Wende der Welten geschah im Tod Jesu. Man stößt hier auf das erste von zwei apokalyptischen Zeichen, die mit dem Tod Jesu verbunden sind (s.u. zu V.38).

Dass hier deutendes Zeichen und nicht historischer Bericht begegnet, wird bestärkt durch die Nüchternheit der Notiz. Die Finsternis mitten am Tag führt zu keinerlei Reaktion, niemand erschrickt oder wundert sich. Die Notiz zielt auf die Adressaten des Werks, denen die Bedeutung des Todes Jesu vor Augen gestellt wird, und kein geschichtliches Faktum.

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(2) V.34

Die Erzählung vom Sterben Jesu setzt ein mit dem Zitat von Ps 22,2 als dem letzten Wort Jesu vor seinem Tod. Das Zitat zeigt Jesus als leidenden Gerechten, der trotz der erfahrenen Gottesferne seine Hoffnung auf Gott setzt – nicht Ausdruck dafür, dass Jesus in der Todesstunde an Gott verzweifelt und in seiner Gottesbeziehung zusammengebrochen sei. Zu Ps 22 als Jesu Sterbegebet s.o. A. 2.3.

Die Wiedergabe des Psalmanfangs auf aramäisch ist Aufmerksamkeitssignal und zugleich erzählerischer Anker für das Missverständnis, Jesus habe Elija gerufen. Dies setzt das aramäische Elōi (»mein Gott«) voraus.

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(3) VV.35–37

Dass die Dabeistehenden die Worte Jesu bewusst verdrehen, wenn sie aus dem Gebet den Ruf nach Elija hören, deutet der Text nicht an. Es kommt nur darauf an, dass der Name des Propheten fällt und die Spötter so ihr Spiel mit dem Gekreuzigten weitertreiben können. Im Hintergrund steht die Vorstellung von Elija als Nothelfer.

Das Motiv der Essiggabe spielt auf Ps 69,22 an:

»Und sie gaben mir zur Speise Gift und in meinem Durst tränkten sie mich mit Essig«.

Der Trank ist wohl als lebensverlängernde Gabe zu verstehen (Linderung von Wundfieber und Durst), allerdings nicht im Sinne eines Barmherzigkeitserweises. Dass die Akteure ernsthaft mit dem Kommen Elijas rechnen, ist nach den vorherigen Verspottungsszenen auszuschließen.

Man kann in 15,36 auch übersetzen: »Er versuchte ihn zu tränken«. Dann könnte der Tod Jesu sehr deutlich als Durchkreuzung der geplanten Verspottung gekennzeichnet sein. Jesus stirbt, ehe der Schwamm an seinen Mund kommt.

Auch wenn man nicht so übersetzt, wäre diese Sinnspitze nicht ausgeschlossen: Direkt auf die Essiggabe stirbt Jesus, der Plan der Verlängerung der Qual unter dem Vorwand, eine Rettung durch Elija zu ermöglichen, scheitert. Hintergründig deutet sich der Tod Jesu als Sieg über seine Widersacher an.

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(4) V.38

Der Tod Jesu ist (als erste Reaktion) mit einem zweiten apokalyptischen Zeichen verbunden: dem Zerreißen des Tempelvorhangs. Dass dies von oben nach unten geschieht, zeigt an: Die Teilung geht zurück auf Gott.

Der äußere Vorhang im Tempel schützt das Innere vor den Blicken von außen, grenzt den heiligen Bezirk ab zum Vorhof hin. Der innere Vorhang grenzte das Allerheiligste, das nur der Hohepriester einmal im Jahr betreten durfte, vom übrigen Tempelhaus ab. Welcher der beiden Vorhänge gemeint ist, lässt der Text offen.

Eine sichere Deutung dieses Zeichens ist kaum möglich. Es bietet unterschiedliche Rezeptionsmöglichkeiten:

  • Im Tod Jesu kündigt sich das Ende des Tempelkultes an, da Vergebung der Sünden nun durch diesen Tod gewährt wird; der Sühnekult verliert seine Bedeutung.
  • Der Zugang zu Gott ist nun über Jesus und seinen Tod eröffnet, nicht über den Tempel als dem Ort der dichtesten Gegenwart Gottes in Israel.
  • Für Markus, der nach der Tempelzerstörung im Jahr 70 schreibt, könnte sich dieses Ereignis im Zerreißen des Vorhangs ankündigen.

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(5) V.39

Der Tod Jesu wird nicht nur durch das Zeichen des zerreißenden Tempelvorhangs gedeutet, sondern auch durch die Reaktion des Hauptmanns unter dem Kreuz: Als er Jesus so, mit einem lauten Schrei sterben sieht, sagt er:

»Wahrlich, dieser Mensch war (ein) Sohn Gottes« (V.39).

Es bleibt unklar, warum der Hauptmann aufgrund des Todesschreis zu dieser Aussage kommt. Soll er beeindruckt sein von der Kraft, die sich in dem lauten Ruf äußert, da gekreuzigte Sterbende gewöhnlich zu lauten Äußerungen nicht mehr fähig sind? Dass ausgerechnet im Tod Jesu die Linie der Erniedrigung abgebrochen wäre, die für die Markus-Passion typisch ist, müsste allerdings überraschen. Eher zeigt auch der laute Todesschrei die Erniedrigung Jesu an (bei Lukas und Johannes stirbt Jesus nicht mit einem unartikulierten Schrei).

Im Rahmen des Markus-Evangeliums kann eine Antwort versucht werden mit Blick auf den Spannungsbogen, der mit dem Titel »Sohn Gottes« verbunden ist. Zwei Mal war den Lesern Jesus bereits in besonders herausgehobener Form als Sohn Gottes vorgestellt worden, in zwei Offenbarungsszenen: Die Himmelsstimme bekennt sich zu Jesus als dem geliebten Sohn nach der Taufe und bei der Verklärung.

»Du bist mein geliebter Sohn, an dir fand ich Gefallen.« (1,11)

»Dieser ist mein geliebter Sohn, hört auf ihn.« (9,7)

Auffällig ist diese Offenbarung auch deshalb, weil sonst Jesus nicht in dieser Würde bekannt gemacht werden soll. Den Dämonen, die Jesus kennen, verbietet er, ihn als Sohn Gottes bekannt zu machen (1,34; 3,12). Daraus, wie auch aus den Schweigegeboten an Geheilte und vor allem an die Jünger (8,30; 9,9), ist zu schließen, dass der Blick auf den vollmächtig wirkenden Jesus für Markus nicht genügt. Es wäre ein einseitiger Blick (s. dazu auch das Themenfeld »Die Wunder Jesu und die Wundererzählungen der Evangelien«, A. 5.1). Da in 9,9 zudem die Auferstehung von den Toten als Endpunkt des Schweigegebots an die Jünger angegeben ist, ergibt sich ein stimmiges Bild, in das sich auch die Äußerung des Hauptmanns einordnen lässt:

Man muss den Weg Jesu bis zum Ende, bis zum Kreuz mitgehen, um angemessen von seiner Hoheit und Würde als Sohn Gottes sprechen zu können. Wer dieses schmähliche Ende ausklammert, kennt Jesus nicht wirklich. Deshalb bekennt der Hauptmann Jesus gerade angesichts der tiefsten Erniedrigung als Sohn Gottes.

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4. Die Auferweckungsbotschaft im leeren Grab (Mk 16,1–8)

Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die (Mutter) des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. 2 Und sie kommen sehr früh am ersten Wochentag zu der Gruft, als die Sonne aufgegangen war. 3 Und sie sprachen zueinander: Wer wird uns den Stein von der Tür der Gruft wegwälzen? 4 Und als sie aufblickten, sehen sie, dass der Stein zurückgewälzt ist; er war nämlich sehr groß. 5 Und als sie in die Gruft eintraten, sahen sie einen jungen Mann zur Rechten sitzen, bekleidet mit einem weißen Gewand, und sie entsetzten sich. 6 Er aber spricht zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus, den Nazarener, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hingelegt hatten. 7 Aber geht hin, sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er euch nach Galiläa vorausgeht! Dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. 8 Und sie gingen hinaus und flohen von der Gruft. Denn Zittern und Bestürzung hatte sie ergriffen, und sie sagten niemand etwas, denn sie fürchteten sich.

Inhaltsverzeichnis

4.1 Analyse

(1) Kontext

Die Geschichte von der Auferweckungsbotschaft im leeren Grab (16,1–8) ist nicht nur der Abschluss der Passionsgeschichte, sondern auch des MkEv. Die VV. 9–20 sind nachträglich angefügt worden, weil man das Ende des MkEv als unbefriedigend empfand, sicher aufgrund des Vergleichs mit den anderen Evangelien.

Die tragende Rolle als menschliche Akteure spielen die Frauen, die auch als Zeuginnen des Todes Jesu vorgestellt wurden (15,40f.), zwei von ihnen auch der Grablegung (15,47). Abgesehen von Josef von Arimathäa, der freilich nicht ausdrücklich als Jünger Jesu bezeichnet wird, sind sie die einzig verbliebenen der Anhänger Jesu. Sie allein können mit einem Gang zum Grab verbunden werden.

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(2) Literarkritik

Ob die Erzählung als eigenständige Erzähleinheit überliefert wurde oder nur als Teil der Passionsgeschichte, ist umstritten. Ist die Grablegungsgeschichte vorausgesetzt oder nur das Wissen um Tod und Begräbnis Jesu? Das Urteil über sekundäre Elemente hängt auch von der Beantwortung dieser Frage ab.  

Die Namen der drei Frauen könnten im Rahmen der mk Passionsgeschichte aus 15,40 entnommen sein. Allerdings stimmen die Listen (s.a. 15,47) nicht vollständig überein. Wer mit ursprünglich selbständiger Überlieferung rechnet, sieht V.3 als von 15,46 (Stein vor das Grab gewälzt) veranlassten Zusatz.

V.7 verweist zumindest durch »wie er euch gesagt hat« auf einen größeren Erzählzusammenhang (s. 14,28). Die Bewertung dieses Verses ist kontrovers:

  • Ist der Vers für die Vorlage ganz zu streichen? (L. Schenke)
  • Hat Mk wegen der Ausrichtung seines Werkes auf Galiläa einen ursprünglichen Verweis auf die Erscheinung ersetzt: »…und ist dem Petrus erschienen« (s. 1Kor 15,5)? (J. Gnilka)
  • Gehört der Vers wegen des Verkündigungsauftrags zu einer Epiphanie-Erzählung und ist deshalb im Wesentlichen traditionell? (A. Lindemann)

V.8b wird bisweilen, aber nicht unbestritten, als mk Zusatz gewertet (Umkehrung des Schweigegebots; etwas überladener Schluss).

Am ehesten kann man zu V.7 wegen der Einbindung in den Galiläa-Zusammenhang des MkEv damit rechnen, dass der Evangelist die Erzählung nachträglich ergänzt hat. Einigermaßen belastbare literarkritische Ergebnisse sind aber nicht zu erzielen. Die folgende Auslegung legt den überlieferten Text zugrunde, ohne auf eine Schichtung abzuheben.

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(3) Gattung und Aufbau

R. Pesch sieht den Einfluss von drei Gattungen: (1) Türöffnungs-/Befreiungswunder, (2) Epi- bzw. Angelophanien und (schwerpunktmäßig) (3) Erzählungen von der Nichtauffindung eines Leichnams.

Aber: Die Öffnung des Grabes ist nicht auf das Heraus-, sondern das Hineingehen ausgerichtet; im Zentrum steht nicht die Nichtauffindbarkeit des Leichnams, sondern die Botschaft des Engels von der Auferweckung.

Die Erzählung ist am ehesten als Epiphaniegeschichte einzuordnen.

Sie lässt sich in folgende Abschnitte gliedern:

V. 1:               Einleitung: Vorbereitung des Gangs zum Grab

VV. 2–4:         Der Gang der Frauen zum Grab:

VV. 5–7:         Begegnung mit dem Engel und dessen Botschaft im Grab:

V. 8:               Die Reaktion der Frauen auf die Botschaft

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(4) Historische Beurteilung

In historischer Hinsicht ist das Verhalten der Frauen in wenigstens dreifacher Hinsicht erstaunlich:

  • die Salbungsabsicht nach der Beerdigung, zumal zwei Tage nach dem Tod – unter den klimatischen Bedingungen Palästinas nicht vorstellbar;
  • die Gedankenlosigkeit der Frauen, die recht spät die Schwierigkeit bemerken, die sich für ihren geplanten Gang ins Grab ergibt;
  • die Reaktion der Frauen auf die Botschaft des Engels: Sie schweigen.

Ausgangspunkt der Erzählung ist also höchstwahrscheinlich kein Erlebnis von Jüngerinnen am Sonntag nach dem Tod Jesu. Dafür spricht auch die Zentrierung der Geschichte auf die Botschaft des Engels hin. Wenn es wesentlich darum geht, dass die Kunde von der Auferweckung Jesu laut wird, dann ist auch anzunehmen, dass das Bekenntnis zur Auferweckung Jesu den Ausgangspunkt der Erzählung darstellt.

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4.2 Auslegung

(1) VV. 1–4

V.1 ordnet die Geschichte in den Gang der Passionserzählung ein, in personeller und zeitlicher Hinsicht. Jesus starb an einem Freitag (15,42). Als der Ruhetag vorüber ist, kann Salböl gekauft werden. Dies tun die drei Frauen, die als Zeuginnen des Sterbens Jesu vorgestellt wurden (15,40), auch wenn die zweite Maria, die an der früheren Stelle als Mutter von Jakobus dem Kleinen und von Joses vorgestellt wird, hier nur Jakobus zugeordnet ist. Die Salbungsabsicht nach dem Begräbnis ist nicht nur in historischer Perspektive auffällig (s.o. B. 4.1, Abschnitt 4). Auch im Rahmen des MkEv stößt sich der Plan mit der Tatsache, dass Jesu Leib bereits auf das Begräbnis hin gesalbt ist (14,8). Außerdem ist die Ankündigung der Auferweckung am Ende der Leidensweissagungen zu beachten. So sind die Leser darauf vorbereitet, dass der Leichnam Jesu von den Frauen nicht gesalbt wird.

Innerhalb der Perikope wird der Stein vor dem Grab in V.3 als Hindernis für die Salbung markiert – um sogleich als beseitigtes Hindernis zu erscheinen (V.4). Die nicht weiter erklärte Beseitigung und der Hinweis auf die Größe des Steins bereitet auf die Begegnung mit der himmlischen Welt vor.

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(2) VV. 5–7

Die Botschaft des Engels steht im Zentrum der Erzählung. Dies ergibt sich nicht nur sachlich aus der Bedeutung der Auferweckung für das urchristliche Bekenntnis; auch die Gestalt der Erzählung führt zu diesem Urteil.

  • Sie ist so aufgebaut, dass die Frauen zunächst unterwegs zum Grab sind, aber schon von Anfang an beabsichtigen, in das Grab zu gehen.
  • Dort treffen sie auf den göttlichen Boten, der ihnen die Kunde von der Auferweckung ausrichtet.
  • Und auf diese Kunde reagieren die Frauen, wenn sie mit Furcht und Zittern vom Grab fliehen.

Die Bewegung zum Grab, der Aufenthalt dort und das Fliehen vom Grab – alles ist auf die Botschaft des Engels bezogen.

Auffällig ist die ausführliche Identifizierung Jesu: »Ihr sucht Jesus, den Nazarener, den gekreuzigten?« Warum wird Jesus ausdrücklich als Nazarener bezeichnet?

  • Möglicherweise bildet Mk hier eine Klammer zum ersten Auftreten Jesu, wo es vor der Taufe Jesu betont heißt: Es kam Jesus von Nazaret (in Galiläa). Erinnert wäre dann an das »Bekenntnis« der Himmelsstimme nach der Taufe, das Jesus als Sohn Gottes vorstellt.
  • Möglich ist daneben aber auch, dass ein Rückblick auf das Wirken Jesu im Ganzen angezielt ist. Denn in diesem Rahmen kommt die Bezeichnung Nazarener ebenfalls vor, vom öffentlichen Auftreten (1,24; 10,47) bis in die Passionsgeschichte (14,67, im Rahmen der Verleugnung des Petrus). Es geht also um diesen Jesus von Nazaret, der in Galiläa und Umgebung auftrat, der verkündete und heilte, der in Jerusalem schließlich verhaftet wurde.

Der Rückblick auf das Ende der Geschichte Jesu kommt dann noch deutlicher in der zweiten Charakterisierung zum Tragen: der Gekreuzigte. Die Botschaft von der Auferweckung ist nicht am Kreuz vorbei zu haben. Mk betont also: Der Erhöhte bleibt der Gekreuzigte, »nur in dieser Verknüpfung ist das christologische Bekenntnis richtig« (L. Oberlinner).

Aus dieser Akzentsetzung ergibt sich eine wichtige Folgerung. Das Verhalten der Frauen, ihr Gang zum Grab wird nicht kritisiert. Es wird ihnen nicht vorgeworfen, dass sie Jesus am falschen Ort suchen. Der Gang zum Grab ist Nachfolge des Gekreuzigten und wird in der Geschichte nicht negativ gewertet. Auch wenn die Frauen Jesus nicht so finden, wie sie es erwartet hatten, so erwächst daraus, anders als in Lk 24,5, kein Vorwurf an sie.

Jesus wird aber nicht nur als der Gekreuzigte bezeichnet. Es heißt auch: Er wurde auferweckt. Dies entspricht der Formulierung des urchristlichen Kerygmas (ἠγέρθη/ēgerthe, s. z.B. Röm 4,25; 6,4; auch 1Kor 15,4). Die passivische Formulierung spielt Handeln Gottes ein. Der Verweis auf das leere Grab begründet nicht die Auferweckung, diese erklärt vielmehr das leere Grab: Erst nach der Botschaft von der Auferweckung erfolgt der Hinweis: »er ist nicht hier, siehe der Ort, wo er lag«.

Die Ankündigung in V.7 (»er geht euch voran nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen«) zeigt: Markus kennt die Erscheinungstradition, wie sie ja auch in Glaubensformeln von der Auferweckung verankert ist (verbunden mit Petrus und den Zwölf: 1Kor 15,5). Er legt darauf aber nicht den Fokus, erzählerisch eingelöst wird die Ankündigung nicht. Die Botschaft von der Auferweckung ist entscheidend, nicht das Empfangen von Erscheinungen. Im Wort der Verkündigung erfahren die Frauen von Ostern – wie auch die Adressaten des MkEv. So wird die Darstellung der Frauen transparent für die Situation der späteren Zeit. Mk nutzt die literarischen Figuren, die Jüngerinnen Jesu, um die Hörerinnen und Hörer seiner Zeit mit der Osterbotschaft zu konfrontieren.

Auf einer Metaebene kann man den Verweis auf Galiläa auch als Hinweis an die Leser deuten, an den Beginn des Buches zurückzukehren und die dort anhebende Geschichte im Licht der Osterbotschaft neu zu lesen.

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(3) V. 8

Aus dem Anliegen, die Geschichte für die Situation der Adressaten zu öffnen, erklärt sich auch das Verhalten der Frauen, nachdem sie aus dem Grab gegangen sind. Furcht und Entsetzen hat sie gepackt, und aus Furcht sagen sie niemandem etwas (V.8). Diese Reaktion scheint in Widerspruch zu stehen zum Auftrag des Engels, den Jüngern vom Vorangehen nach Galiläa zu erzählen.

Aber die Jünger sind gar nicht mehr recht im Blick. Es heißt, die Frauen sagten niemandem etwas. Bezugspunkt des Schweigens ist die Botschaft von der Auferweckung (V.6). Das Schweigen hängt zusammen mit der Furcht (»sie fürchteten sich nämlich«), Furcht ist die typische Reaktion des Menschen auf die Begegnung mit der göttlichen Welt.

Die Frauen haben verstanden, dass sie konfrontiert wurden mit einer Gottesoffenbarung. Durch ihr Schweigen »empfängt der Leser die Osterbotschaft gleichsam direkt aus dem Mund des νεανίσκος« (A. Lindemann).

Mit diesem Schluss gelingt es Markus, die Geschichte, und das heißt: seine ganze Jesus-Geschichte, offen in die Welt der Adressaten münden zu lassen. Sie stehen in derselben Situation wie die Frauen, werden konfrontiert mit der ungeheuren Botschaft von Jesus von Nazaret, dem Künder der Gottesherrschaft, der vor allem in Galiläa gewirkt hat, verkündend und heilend, der gekreuzigt wurde, den Gott aber auferweckt hat von den Toten. Zu ihm sollen sie aufgrund der Botschaft von ihm Stellung beziehen, und nicht den Blick auf vergangenes Geschehen zurücklenken.

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C. Anhang: Zur Diskussion um Jesu Todesverständnis

Die Rekonstruktion der Abendmahlstradition kam zum Ergebnis, dass die älteste erreichbare Fassung keine Aussage über das sühnende Sterben Jesu bot. Die Basis dieses literar­kritisch gewonnenen Urteils soll im Folgenden erweitert werden durch die Bearbeitung der Sachfrage, ob Jesus eine Deutung seines Todes als eines Sühnetodes auf der historischen Ebene sinnvoll zugeschrieben werden kann (zum Verständnis von Sühne s.o. A.3).

1. Das Verhältnis der Sühnetod-Deutung zur Verkündigung Jesu

Grundsätzlich wird gefragt, ob eine Deutung des Todes Jesu als Sühnetod in seine Botschaft zu integrieren ist. Jesus verkündet den zuvorkommenden Heilwillen Gottes, der alle annimmt und davon die Sünder nicht ausschließt. Lässt sich hier die Aussage einpassen, dass Gott durch den Tod seines Boten Vergebung gewährt?

Pro: Jesus ist zur Überzeugung gekommen, dass Israel das von ihm verkündete Heilsangebot mehrheitlich bzw. durch seine offiziellen Repräsentanten abgelehnt habe.

Damit ergab sich ein theologisches Problem: die Frage nach der Wirksamkeit des göttlichen Heilswillens, den Jesus für Israel verkündet hatte. Der Sühnegedanke bot die Möglichkeit, an der Basileia-Botschaft festzuhalten. Gerade im Tod des endzeitlichen Boten Gottes erweist sich das Heilshandeln Gottes als wirksames Geschehen, insofern in diesem Tod Sühne geschieht und Israel auf diese Weise vom göttlichen Heilshandeln erreicht wird (H. Merklein). Die Deutung seines Todes als stellvertretender Sühnetod ermöglichte es Jesus, an seinem »Lebensthema der Versöhnung« (K. Backhaus) festzuhalten, zumal angesichts der Stellung Jesu zum Tempel: So trat Jesu Tod an die Stelle des kultischen Opfers und seiner sühnenden Funktion.

Contra: Die Annahme, Jesus müsse seinem Tod heilsmittlerische Bedeutung zugemessen haben, um an seiner Botschaft festhalten zu können, lässt sich nicht begründen. Tatsächlich wäre in diesem Fall ein Bruch zur Basileia-Botschaft gegeben.

Wenn Jesus seine Botschaft »ad absurdum geführt« sah (H. Merklein), liegt das Moment der Kontinuität allein darin, dass Jesus trotz dieser Situation an seiner Überzeugung vom endzeitlichen Heilswillen Gottes für Israel festgehalten hat. Das ist genau der Gedanke, der sich in Mk 14,25 findet – und zwar ohne Sühneaussage.

Außerdem: Das Problem besteht nach der Position Merkleins für Jesus vor dem Forum der Öffentlichkeit. Die Rede von Sühne aber hat als Deutekategorie keine externe Überzeugungskraft.

Diese Schwierigkeit lässt sich nicht dadurch umgehen, dass man ausschließlich die Jünger als Adressaten der Aussage vom Sühnetod versteht. Zwar hätte für sie als Anhänger Jesu eine deutende Aussage ihres Meisters ein Gewicht, das man außerhalb der Jesusbewegung nicht voraussetzen kann. Darin liegt aber gerade ein Problem: Aufgrund ihrer Nähe zu Jesus hätten sie auch einer Versicherung über die weiterhin bestehende Gültigkeit seiner Botschaft trauen können – wie sie im »eschatologischen Ausblick« denn auch begegnet (Mk 14,25, s. nächster Abschnitt).

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2. Sühnetod-Deutung und Abendmahlstradition

Inhaltsverzeichnis

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2.1 Keine ausdrückliche Verbindung von Sühne und Basileia

Die aufgeworfene Frage, wie sich eine Sühnetod-Deutung durch Jesus mit seiner Verkündigung verbinden lässt, wird auffälligerweise durch die Abendmahlstradition nicht beantwortet. Die Sühneaussage wird nicht in Beziehung gesetzt zur Botschaft von der Basileia. Sie begegnet im Zusammenhang des Bundes-Motivs, das ansonsten in der Jesus-Tradition begrifflich keine Rolle spielt.

Diese Singularität des Bundesmotivs lässt sich nicht mit der Ablehnung der Botschaft und der Situation der Todesgewissheit erklären. Wenn Jesus bis zum Abendmahl die Basileia ohne Bezug auf den neuen Bund verkündet hat, ist der knappe Bezug darauf in der Abendmahlstradition ein Problem.

  • Es wird nicht durch den Hinweis gelöst, dass ein Bundesschluss ein einmaliger Akt sei (so G. Theißen). Zu klären wäre, warum Jesus sich in der Situation des letzten Mahles zu einem solchen Bundesschluss herausgefordert sah, wenn die Verkündigung der Basileia ohne solchen Bezug auskam. Dass dies mit der Stiftung eines neuen Kultes zusammenhing, überzeugt nicht.
  • Außerdem wäre zu klären, warum sich das Motiv des neuen Bundes nicht durchgehalten hat: Die mk/mt Linie spricht vom Blut des Bundes, ohne den neuen Bund nach Jer 31 ausdrücklich ins Spiel zu bringen.

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2.2 Todesdeutung ohne Sühne-Motiv: Mk 14,25

Umgekehrt finden wir den Zusammenhang von Tod Jesu und Basileia gerade in einem Logion, das keine Sühne-Aussage enthält: der so genannte eschatologische Ausblick in Mk 14,25.

Dieser Tatbestand ist kaum überzubewerten, denn auch dieser Ausblick enthält implizit eine Todesdeutung. Auch wenn man ihn als Todesprophetie versteht, ist er doch zugleich mehr als nur die Ankündigung des Todes. Die Spitze des Spruches liegt im zweiten Teil, der Teilhabe Jesu am endzeitlichen Festmahl des vollendeten Reiches Gottes. Dann geht es in dem Wort nicht nur darum, dass Jesus seinen Jüngern seine Todesgewissheit mitteilt; er versichert sie vielmehr angesichts seines nahen Todes des Kommens der Basileia. Wenn Jesus von seinem Trinken im Reich Gottes spricht, dann ist damit zugleich ganz grundsätzlich die Vollendung der Basileia im Blick.

Gottesherrschaft und Tod Jesu werden in Mk 14,25 miteinander verbunden, aber ohne dass Jesu Sterben eine Funktion für das Kommen der Gottesherrschaft hätte.

Es gibt also keinen Spruch in der Jesusüberlieferung, der den Zusammenhang bezeugt, dass Jesus wegen der Ablehnung seiner Basileia-Botschaft zur Überzeugung gekommen sei, er müsse das sühnende Sterben auf sich nehmen. Mk 14,25 ist ein Beleg dafür, dass Jesus an seiner Botschaft festgehalten hat – auch angesichts des nahen Todes. Dass vom Kommen der Basileia nun anders, nämlich sühnetheologisch gesprochen werden müsse, ist ohne Textanhalt in der Jesustradition. So tritt die Todesdeutung des »eschatologischen Ausblicks« neben die des Becherwortes.

Dies bestätigt die obige literarkritische Analyse (s.o. B. 2.1), nach der das Becherwort ein sekundäres Element der Abendmahlstradition ist.

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2.3 Der Befund der Jesustradition

Ein kurzer Blick auf den Gesamtbefund der Jesustradition deutet ebenfalls in die Richtung des vorgestellten Ergebnisses. In diesem Rahmen zeigt sich nicht nur, dass das Thema des heilsvermittelnden Sterbens sehr schmal bezeugt ist (neben der Abendmahls­überlieferung nur Mk 10,45par.).

Wichtiger noch ist folgende Beobachtung: Es gibt Deutungen des Todes Jesu, die ohne die Sühneaussage auskommen, vor allem die Leidensankündigungen sind hier zu nennen (Mk 8,31; 9,31; 10,32–34). Sie betonen das »muss« des Leidens, bieten aber nur insofern eine Deutung des Todes Jesu, als sie sagen: Dieser Tod stimmt auf verborgene Weise mit dem Willen Gottes überein (so auch die Sondertraditionen des LkEv: 13,32f.; 24,7; 24,25–27; 24,44–47).

Ein von Jesus herrührender Erstimpuls in der Rede vom Sühnetod hätte also in der Jesustradition keineswegs dominiert. Es gibt auch andere Deutungen des Todes Jesu – und zwar anerkannt nachösterliche.

Jesus müsste sehr undeutlich vom Heilssinn seines Todes gesprochen haben, so dass die Frage berechtigt ist, ob der entscheidende Impuls zu dieser Sinngebung seines Todes wirklich von ihm selbst kam.

Das Ergebnis wird bestärkt durch das Urteil, dass die Entstehung der Sühnetod-Deutung aus den Gegebenheiten des Osterglaubens erklärt werden kann (s.o. A.3.4).

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3. Synopse Abendmahl

Mk/Mt stimmen überein
Lk/Pls stimmen überein
Mk/Mt/Lk stimmen überein
Alle stimmen überein

Mk 14,22–25

Mt 26,26–30

Lk 22,15–20

1Kor 11,23–25

 

 

Verweis auf Wunsch das Pascha mit den Jüngern zu feiern; eschatologischer Aus­blick; Becherwort

 

Und während sie aßen,

Während sie aßen,

   

nahm er


nahm Jesus


Und er nahm


Der Herr Jesus nahm in der Nacht, in der er überliefert wurde,

Brot, sprach den
Lobpreis
,
brach es,
und gab es ihnen
und sprach:

Brot, sprach den Lobpreis,
brach es,
gab es den Jüngern
und sprach:

Brot, dankte,

brach es
gab es ihnen
indem er sagte:

Brot, dankte,

brach es

und sprach:

Nehmt,
dies ist mein Leib.



Nehmt, esst,
dies ist mein Leib.




Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird.
Dies tut zu meinem Gedächtnis.


Dies ist mein Leib
für euch.
Dies tut zu meinem Gedächtnis.

Und er nahm den Becher,

Und er nahm den Becher

Und den Becher gleichfalls nach dem Mahl,

Gleichfalls auch den Becher nach dem Mahl,

dankte
und gab ihn ihnen, und sie tranken
aus ihm alle.

dankte
und gab ihn ihnen


 

 

Und er sprach zu ihnen:

indem er sagte:

indem er sagte:

indem er sagte:

Dies ist mein
Blut des Bundes, das ausgegossen wird für viele.

Trinkt aus ihm alle. Denn dies ist mein Blut des Bundes, das für viele ausgegossen wird zum Nachlass der Sünden.

Dieser Becher ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch ausgegossen wird.



Dieser Becher ist der neue Bund in meinem Blut. Dies tut, so oft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis.

Amen, ich sage euch: Nicht mehr werde ich trinken vom Gewächs des Weinstocks bis zu jenem Tag, an
dem ich von neuem trinke im Reich Gottes.


 

Ich sage euch aber: Ich werde nicht trinken von jetzt an von diesem Gewächs des Weinstocks bis zu jenem Tag, an dem ich mit euch von neuem trinke im Reich meines Vaters

 

Ich sage euch nämlich: Ich werde
nicht mehr trinken von nun an vom
Gewächs des Weinstocks bis das Reich Gottes kommt. (22,16)

 

So oft ihr nämlich dieses Brot esst und diesen Becher trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.





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