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Taufe bei Paulus

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Inhaltsverzeichnis

A. Thematische Perspektiven

B. Ausgangstext: Röm 6,1–14

A. Thematische Perspektiven

1. Zur Teilhabe-Vorstellung bei Paulus

Mit der Annahme des Evangeliums verbindet sich nicht nur die Rechtfertigung, nicht nur die Befreiung von der sündigen Vergangenheit, vielmehr wird die Existenz der Glaubenden gewandelt, indem sie in eine enge Gemeinschaft mit Christus aufgenommen werden: Sie haben teil an Christus. Dies kann Paulus auf verschiedene Weisen ausdrücken: 

  • In Christus sein: Zwar kann die Formel ἐν Χριστῷ bisweilen auf die allgemeine Aussage »christlich«, »als Christ« beschränkt bleiben, häufig aber geht sie darüber hinaus und bezeichnet den Raum, in den die Glaubenden aufgenommen sind (z.B. 2Kor 5,17.21; Gal 2,4; Röm 8,1; Phil 3,9). Dass auch Christus in den Glaubenden ist (Röm 8,10; 2Kor 13,5; Gal 2,20), bestätigt die enge personale Gemeinschaft: Der Herrschaftsbereich Christi, in dem sich die Glaubenden befinden, bestimmt sie auch im Innern.
  • Mit-Aussagen: Charakteristisch für Paulus ist die Bildung von Komposita, bei denen einem Verb die Vorsilbe mit (συν-) vorangestellt wird, z.B. mitleben, mitleiden, mitverherrlicht werden. In Röm 6,4–8 findet sich eine besonders auffällige Häufung dieser Redeweise.
  • Christus angehören: Christus ist Herr der Glaubenden. Darin zeigt sich das Ungleichgewicht in der Gemeinschaft zwischen Christus und Glaubenden. Dass es um ein gegenwärtiges Autoritätsverhältnis geht, das die Beziehung zwischen Anführer und Anhänger bestimmt, macht auch die Parallelisierung in 1Kor 1,12 deutlich: »Jeder von euch sagt: Ich gehöre zu Paulus, ich zu Apollos, ich zu Kephas, ich zu Christus.«
  • Geist und Christus: Aussagen über die Gemeinschaft mit Christus und mit dem Geist können parallelisiert werden (Christus in euch – Geist in euch: Röm 8,10f.). Mit der Geistgabe ist zugleich die Teilhabe an Christus ausgesprochen. Die Gemeinschaft mit dem Geist wird v. a. in der Mahnung zum Verhalten (Paränese) akzentuiert (Röm 8,4–13, Gal 5,25).

Im Rahmen der Teilhabe-Vorstellung erschließt sich das paulinische Verständnis der Taufe. Aus dieser Zuordnung ergibt sich, dass das die Taufe für Paulus kein nebensächliches theologisches Thema ist, auch wenn er nicht häufig auf sie zu sprechen kommt.

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2. Traditionsgeschichtliches zur Taufe

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2.1 Zum Ursprung der Taufe

Er ist am ehesten bei Johannes dem Täufer zu sehen (nicht in der jüdischen Proselytentaufe oder den hellenistischen Mysterienreligionen). Dafür spricht:

  • Johannes gehört ins Umfeld der Jesusbewegung und wurde in die Christusverkündigung integriert.
  • Es gibt Momente der Kontinuität zwischen christlicher Taufe und der des Johannes: keine Selbsttaufe; einmalig; soteriologischer und eschatologischer Zusammenhang (Bezug auf Vergebung der Sünden).
  • Die Verkündigung des Johannes ließ sich in die frühchristliche Taufpraxis integrieren: In dieser erfüllt sich Johannes’ Ankündigung der Taufe durch den Feuer- und Geisttäufer (s. Mk 1,8; Mt 3,11).

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2.2 Taufformeln

  • Kennzeichnend ist der Bezug der Taufe »auf den Namen des Herrn Jesus« (εἰς τὸ ὄνομα τοῦ κυρίου Ἰησοῦ), im Einzelnen zwar variabel, aber doch mit festliegender Grundstruktur, weshalb Paulus die Formel auch verfremden, mit ihr sprachlich spielen kann (1Kor 1,13).
  • Paulus bezeugt allerdings häufig eine verkürzte Redeweise: Taufe auf Christus (εἰς Χριστόν [Ἰησοῦν]). Da er in Verbindung mit dem Leib Christi die Taufe auch mit einer räumlichen Vorstellung verbinden kann (»in den einen Leib getauft«), könnte dies auch bei der Formulierung εἰς Χριστόν eine Rolle spielen (»in Christus getauft«).
  • Zum Verständnis der Taufformel »auf den Namen Jesu« werden verschiedene Lösungen vorgeschlagen:

    (1) Übertragung einer Wendung aus dem Bankwesen, wenn Geld auf dem Konto gutgeschrieben wurde (»auf den Namen« des Inhabers). Ausgedrückt wäre in der Taufformel dann die Übereignung des Täuflings an Christus.

    Aber: Es besteht eine sehr große Differenz hinsichtlich der Sachzusammenhänge (Bankwesen / religiöses Ritual).

    (2) Ansatz beim ntl Gebrauch von »Name«: überwiegend auf Jesus bezogen, in dem Gott Rettung wirkt. So geht es bei der Taufe auf den Namen Jesu um die Zueignung des Heils

    Aber: Es ist zweifelhaft, ob der Bezug auf den Namen solche spezifische Vorstellung tragen kann.

    (3) In rabbinischer Literatur wird leschem (»auf den Namen«) im Sinn von »im Hinblick auf« gebraucht. Auch für religiöse Riten ist der Ausdruck belegt: Angegeben wird die Gottheit, der der Ritus gilt. Der Referenzrahmen des Ritus der Taufe wird angegeben, er bezieht sich auf den Kyrios Jesus.

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3. Taufmotive in den Paulusbriefen

  • Sündenvergebung: In 1Kor 6,11 ist zwar nicht ausdrücklich von der Taufe die Rede, durch den Bezug auf den »Namen des Herrn Jesus Christus« ist dieser Sachzusammenhang aber wahrscheinlich. Paulus geht es hier nicht nur um die Befreiung von der Sündenschuld, sondern auch der Sündenmacht.
  • Christusgemeinschaft: Der Existenzwechsel kann im Zusammenhang von Taufaussagen noch deutlicher werden: Anziehen Christi (Gal 3,27), Teilhabe am Todesgeschick (Röm 6).
  • Ekklesiologische Christusgemeinschaft: Die Taufe ist mit der Leib-Ekklesiologie verbunden (1Kor 12,13; wohl auch Gal 3,28), sie ist nicht nur die rituelle Seite des Glaubens, sondern auch der Eingliederung in den Christusleib (s.a. 1Kor 1,13: eine Zerteilung des Christus lässt sich mit Blick auf die Taufe als Unsinn erweisen).
  • Geistmitteilung: Bei Paulus erscheint dies ausdrücklich nur in 1Kor 12,13 (vielleicht angedeutet in Gal 3,3 [»anfangen im Geist«], wenn man die Taufaussage in 3,27 damit in Verbindung bringt). Damit wird die Gegenwart unter eschatologisches Vorzeichen gestellt (Geistausgießung als Zeichen der Endzeit: Joel 3,1–5; Jer 31,33; Ez 36,26). Aufs Ganze gesehen entfaltet Paulus die geistbestimmte Existenz der Glaubenden aber ohne Bezug auf die Taufe.

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B. Ausgangstext: Röm 6,1–14

1. Kontext

In Röm 1–4 hat Paulus die Rechtfertigungsbotschaft entfaltet:

  • der Mensch unter der Sünde (1,18–3,20);
  • Befreiung durch Christus abseits vom Gesetz (3,20–31);
  • Abraham als Stammvater der Glaubenden (4,1–25).

Die Stellung von Kapitel 5 im Aufriss des Briefes ist umstritten:

  • Gehört es als Abschluss der grundlegenden Entfaltung des Evangeliums zu Kapp. 1–4?
  • Oder stellt es einen Einschnitt dar, da es nun um das Leben der Gerechtfertigten geht (weitergeführt in Kapp. 6–8)?

Man kann ein salomonisches Urteil fällen und dem Kapitel 5 eine Scharnierfunktion zuweisen: einerseits wird die rechtfertigungstheologische Erörterung abgeschlossen, andererseits das neue Thema eröffnet, das bis zum Ende von Kap. 8 reicht. In jedem Fall ist das in 6,1–14 behandelte Problem mit den vorherigen Ausführungen verbunden (s. Auslegung zu 6,1).

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2. Aufbau

 

1 Was sollen wir nun sagen? Sollten wir in der Sünde verharren, damit die Gnade überströme?

Fiktiver Einwand

2 Das sei ferne! Wir, die wir der Sünde gestorben sind, wie sollten wir noch in ihr leben?

Gegenthese

3 Oder wisst ihr nicht, dass wir, so viele auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? 4 So sind wir nun mit ihm begraben worden durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in Neuheit des Lebens wandeln. 5 Denn wenn wir verwachsen sind mit der Gleichheit seines Todes, so werden wir es auch mit der [seiner] Auferstehung sein,

Begründung durch Christusteilhabe in der Taufe

6 da wir dies erkennen, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen. 7 Denn wer gestorben ist, ist freigesprochen von der Sünde. 8 Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden,

Vertiefung: Christusteilhabe als Mitgekreuzigtwerden und Befreiung von der Sünde

9 da wir wissen, dass Christus, aus den Toten auferweckt, nicht mehrstirbt; der Tod herrscht nicht mehr über ihn. 10 Denn was er gestorben ist, ist er ein für allemal der Sünde gestorben; was er aber lebt, lebt er Gott. 11 So auch ihr, haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christus Jesus.

Christus als Grund des Existenzwechsels der Glaubenden

12 So herrsche nun nicht die Sünde in eurem sterblichen Leib, dass er seinen Lüsten gehorche; 13 stellt auch nicht eure Glieder der Sünde zur Verfügung als Werkzeuge der Ungerechtigkeit, sondern stellt euch selbst Gott zur Verfügung als Lebende aus den Toten und eure Glieder Gott zu Werkzeugen der Gerechtigkeit. 14 Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade.

Mahnung zu einem Verhalten, das dem neuen Sein entspricht.

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3. Auslegung

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V.1

Was sollen wir nun sagen? Sollten wir in der Sünde verharren, damit die Gnade überströme?

Die Frage greift deutlich zurück auf die Aussage in 5,20, wo es hieß: »Wo die Sünde groß wurde, ist die Gnade überreich geworden.« Durch die Verwendung des Verbs πλεονάζειν greift Paulus unmittelbar auf diese Aussage zurück. Grundsätzlich könnte man die reductio ad absurdum in der Frage auf Paulus selbst zurückführen, der damit eine denkbare Konsequenz seiner Ausführungen abweisen will. In 3,8 aber hatte er sich bereits auf einen gegen ihn gerichteten Vorwurf bezogen: Er rufe auf zum Tun des Bösen, damit das Gute komme. Deshalb könnte der Einwand in 6,1 doch einen realen Hintergrund in Einwänden gegen die Theologie des Paulus haben. 

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V.2

Das sei ferne! Wir, die wir der Sünde gestorben sind, wie sollten wir noch in ihr leben?

Zunächst stellt Paulus klar, dass die zitierte Folgerung aus seinen Ausführungen zum Zusammenhang von Sünde und Gnade Unsinn ist (μὴ γένοιτο). Und daran schließt er in Frageform seine Gegenthese an: Da die Glaubenden der Sünde gestorben sind, können sie nicht mehr in ihr leben. Im Folgenden begründet er beide Komponenten dieser These: sowohl die Basis (das Gestorbensein für die Sünde) als auch die Folgerung (die Sünde bestimmt das Leben der Glaubenden nicht mehr).

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VV.3–5

Oder wisst ihr nicht, dass wir, so viele auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? 4 So sind wir nun mit ihm begraben worden durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in Neuheit des Lebens wandeln. 5 Denn wenn wir verwachsen sind mit der Gleichheit seines Todes, so werden wir es auch mit der [seiner] Auferstehung sein,

In einem ersten Durchgang bezieht sich Paulus auf die Taufe. Sie erlaubt es, das Stichwort »sterben« (ἀποθνῄσκειν) aufzugreifen und in seiner Bedeutung zu entfalten. Paulus setzt mit einer Frage ein, die Bezug auf bekannte Tradition signalisiert – wahrscheinlich nicht nur als rhetorisches Stilmittel, um eine Übereinstimmung ins Spiel zu bringen, die nicht unbedingt bestehen muss.

Ob man die Wendung »auf Christus« (εἰς Χριστόν) als Verkürzung der üblichen Taufformel »auf den Namen Jesu« (εἰς τὸ ὄνομα Ἰησοῦ) versteht oder räumlich (Taufe »in den Tod«) – in jedem Fall geht es um Teilhabe am Todesgeschick Jesu. Die Getauften erfahren einen realen Existenzwandel. Auf der negativen Seite ist dies ein Sterben; als Teilhabe am Geschick Christi muss dieser Vorgang aber auch die Dimension der Auferweckung einschließen. Dabei vermeidet er die Aussage, die Getauften seien mit Christus auferweckt (so Kol 2,12). Paulus spricht von der »Neuheit des Lebens«. Sie richtet sich auf das Handeln, erkennbar im Verb περιπατεῖν, das umfassend den Lebenswandel bezeichnet. Der Wandel »in der Neuheit des Lebens« ist dem Leben unter der Macht der Sünde entgegengesetzt. Damit ist ein erstes Argument ausgeführt für die These, dass die Glaubenden der Sünde gestorben sind und also nicht bei ihr bleiben können. Die Auferweckung der Glaubenden ist ein künftiges Ereignis, wie V.5 klarmacht. Die dortigen Futurformen könnten zwar ein logisches Futur bezeichnen (von der Taufspendung her gesehen liegt die Teilhabe an der Auferstehung in der Zukunft), wahrscheinlicher aber ist an ein eschatologisches Futur gedacht. Dafür spricht die parallele Aussage in V.8.

Paulus beschreibt also die Taufe als Teilhabe am Geschick des Todes und der Auferstehung Christi (wenn auch die Einbeziehung in die Auferstehung ethisch umgebogen wird). Diese Grundstruktur hat seit den Zeiten der »Religionsgeschichtlichen Schule« die paulinische Tauftheologie mit hellenistischen Mysterienreligionen in Verbindung gebracht. Nach heute überwiegend geteilter Auffassung lassen sich Taufe (und Herrenmahl) nicht von den Mysterienreligionen ableiten, denn dazu sind die Unterschiede zu groß, vor allem der Bezug auf ein einmaliges geschichtliches Ereignis in Kreuz und Auferstehung Jesu. Dennoch gibt es eine »analoge Gedankenstruktur« (D. Zeller) in der Vorstellung von der Identifikation mit der Gottheit und ihrem Geschick, in dem sich die Eingeweihten wiedererkennen. Für die Bedingungen der Rezeption des paulinischen Taufverständnisses sind solche Analogien nicht unerheblich.

Mysterienreligionen

Die Nachrichten über die verschiedenen Kulte sind nur spärlich, dennoch ist genug bekannt, um die Mysterienreligionen in ihrem Grundzug zu charakterisieren. Zu einer Mysteriengemeinschaft gehörte man durch eine besondere Einweihung, oft vorbereitet durch einführende Riten wie Waschungen und Taufbäder; die Riten der verschiedenen Kulte unterscheiden sich jedoch nicht unerheblich voneinander. Im Mittelpunkt der kultischen Feier steht ein Drama, das den Leidens- und Irrweg einer Gottheit darstellt, und schließlich ihren Sieg. Die Eingeweihten nehmen am Schicksal der Gottheit teil und werden mit göttlicher Kraft erfüllt. Dies ist der entscheidende Gedanke: Im Ritus partizipieren die Teilnehmer an dem dargestellten Geschehen und gewinnen so die Aussicht auf Heil. Diese Rettung kann innerweltlich ausgerichtet sein auf die Bewahrung vor verschiedenen Gefahren. Die Rettung kann auch die Existenz in der materiellen Welt übersteigen auf das Geschick nach dem Tod: die Mysten sind mit unsterblicher Kraft begabt. Die Gemeinschaft mit der Gottheit kann auch durch ein Mahl symbolisiert werden.

Syntaktische Probleme von V.5

Zu Röm 6,5 werden zwei Probleme der syntaktischen Zuordnung diskutiert:

εἰ γὰρ σύμφυτοι γεγόναμεν τῷ ὁμοιώματι τοῦ θανάτου αὐτοῦ, ἀλλὰ καὶ τῆς ἀναστάσεως ἐσόμεθα.

Ist die hervorgehobene Wendung ein Dativus instrumentalis? Dann wäre zu übersetzen: »Wenn wir nämlich mit ihm verbunden worden sind (σύμφυτοι γεγόνα-μεν) durch die Gleichgestalt des Todes …«. Der Taufvorgang wäre als mit dem Tod Jesu vergleichbar dargestellt, eine Ähnlichkeit zwischen dem Taufritus und der Kreuzigung angenommen.

Oder gehört die Wendung zu σύμφυτοι? »Wenn wir nämlich verbunden sind mit der Gleichgestalt seines Todes …« In diesem Fall ist die Gleichgestalt die Wirkung der Taufe – das Sterben bzw. Gestorbensein (für die Sünde). Dieses ereignet sich in der Taufe, ohne dass irgendeine Ähnlichkeit zwischen Kreuzigung und Taufritus ausgesagt wäre. Dies ist die wahrscheinlichere Lösung (so auch die obige Übersetzung).

εἰ γὰρ σύμφυτοι γεγόναμεν τῷ ὁμοιώματι τοῦ θανάτου αὐτοῦ, ἀλλὰ καὶ τῆς ἀναστάσεως ἐσόμεθα.

Zieht man das hervorgehobene Substantiv im Genitiv direkt zum Prädikat, wäre zu übersetzen: »Wir werden der Auferstehung zugehören.« (wörtlich: »wir werden der Auferstehung sein«)

Wahrscheinlicher ist dies aber eine verkürzte Formulierung, so dass zu übersetzen ist: »wir werden erst recht (ἀλλά nach Konditionalsatz) mit der Gleichgestalt der Auferstehung verbunden sein.«

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VV.6–8

6 da wir dies erkennen, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen. 7 Denn wer gestorben ist, ist freigesprochen von der Sünde. 8 Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden,

Paulus geht seinen grundlegenden Gedanken ein zweites Mal durch. Das Mitsterben erscheint nun, noch konkreter auf den Tod Jesu bezogen, als Mitgekreuzigtwerden. Und dieses Geschehen am »alten Menschen« führt dazu, dass wir nicht mehr der Sünde dienen. Paulus spricht in V.6 von der Vernichtung des Leibes der Sünde (τὸ σῶμα τοῦ θανάτου). »Leib« kann hier nicht für »Körper« stehen, denn durch die Teilhabe am Geschick Christi wird ja nicht der menschliche Körper vernichtet. Gemeint ist offenbar der »alte Mensch«, der der Sünde verhaftet war. »Leib der Sünde« heißt also nicht, dass alles den Körper Betreffende Sünde sei. Leibliche Existenz bleibt aber, wie V.12 zeigt, ein Ansatzpunkt für die Sünde. Dies ist jedoch nicht beschränkt auf körperliche Funktionen. Die »Begierden des Leibes« sind sicher umfassender zu verstehen, nicht nur bezogen auf Nahrungsaufnahme und Sexualität. 

Der Gedankengang endet wie in V.5 wieder mit dem Ausblick auf künftige Teilhabe am Leben Christi, das sich also auf die Auferstehung beziehen muss, auch wenn hier dieser Begriff nicht fällt. Dass es hier aber nicht um das gegenwärtige Leben gehen kann, ergibt sich aus der Tatsache, dass es als Inhalt des Glaubens vorgestellt wird (πιστεύομεν ὅτι συζήσομεν).

Zum exegetischen Problem von V.7

Die Aussage von 6,7 bereitet der Auslegung vor Schwierigkeiten:

ὁ γὰρ ἀποθανὼν δεδικαίωται ἀπὸ τῆς ἁμαρτίας.

»Wer gestorben ist, ist gerechtfertigt von der Sünde.«

Heißt dies: Der Sünder ist von den Folgen der Sünde befreit, wenn er gestorben ist? In seinem Tod hätte sich aber die Sünde unheilvoll ausgewirkt – wie kann man dann von Gerechtfertigtwerden sprechen, einem Heilsbegriff? (s. zur Rechtfertigungstheologie)

Wahrscheinlich denkt Paulus auf zwei Ebenen:

  • Formal im genannten Sinn: Durch den Tod hat die Sünde keinen Zugriff mehr auf den Sünder.
  • Inhaltlich ist entscheidend, dass der Tote, von dem hier die Rede ist, nicht im physischen Sinn tot ist, sondern mit Christus mitgekreuzigt und zur Neuheit des Lebens verwandelt. Deshalb kann positiv von Gerechtfertigtwerden gesprochen werden, was hier so viel heißt wie: befreit von der Macht der Sünde.

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VV.9–11

9 da wir wissen, dass Christus, aus den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod herrscht nicht mehr über ihn. 10 Denn was er gestorben ist, ist er ein für allemal der Sünde gestorben; was er aber lebt, lebt er Gott. 11 So auch ihr, haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christus Jesus.

Zwar schließt sich V.9 syntaktisch an V.8 an, als partizipiale Ergänzung (εἰδότες) zur Aussage vom künftigen »Mitleben«, inhaltlich aber eröffnet der Satz den weiteren Gedankengang. Nun wird der Grund des Existenzwechsels der Glaubenden im Christusgeschehen knapp entfaltet. Bis zu diesem Punkt hatte Paulus immer aus Sicht der Glaubenden formuliert, die handeln oder an denen etwas geschieht. In VV.9f. werden Aussagen über Christus getroffen. 

Dass Christus »ein für alle Mal für die Sünde starb«, ist wohl vom Sühnegedanken her zu verstehen. Der Sündlose (s. 2Kor 5,21) hat die Ansprüche der Sündenmacht auf die sündige Menschheit abgegolten. Christus hat den Tod (s. V.9) und die Sünde endgültig besiegt. Durch die Bemerkung, Christus lebe sein Leben für Gott, stellt Paulus eine Parallele her zwischen den christologischen Aussagen von V.10 und den auf die Adressaten gerichteten in V.11. Auch die deutlichere Profilierung der christologischen Basis zielt also wieder auf die Existenz der Glaubenden. Sie sind so in Christus einbezogen, dass sie auf sich übertragen sollen, was über Christus gesagt wurde: Sie sollen sich als solche verstehen, die für die Sünde tot sind und für Gott leben (V.11; Gegensatz zu V.1). 

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VV.12–14

12 So herrsche nun nicht die Sünde in eurem sterblichen Leib, dass er seinen Lüsten gehorche; 13 stellt auch nicht eure Glieder der Sünde zur Verfügung als Werkzeuge der Ungerechtigkeit, sondern stellt euch selbst Gott zur Verfügung als Lebende aus den Toten und eure Glieder Gott zu Werkzeugen der Gerechtigkeit. 14 Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade.

Die Abkehr von der Sünde wird nun durch direkte Weisungen im Bildfeld von Kampf und Kriegsdienst untermauert. Als neuer Begriff erscheint »Gerechtigkeit«, hier am besten im Rahmen menschlichen Gerechtigkeitshandelns zu deuten. Der sterbliche, den Bedingungen dieser Welt unterworfene und deshalb schwache Leib bleibt »Einfallstor der Sünde« (D. Zeller) – nicht im Gegenüber zur Seele als eigentlichem Personzentrum, sondern gerade als Ausdruck der menschlichen Person. »Wir sind Leib, und in den Gliedern als den Aktionszentren des Leibes sind wir selbst es, die handeln« (U. Wilckens).

Wenn Paulus hier auffordert, dem neuen Sein entsprechend zu leben, zeigt sich ein Zweifaches. Zum einen gibt es auch für die Glaubenden und Getauften keine quasi magische Verwandlung ihres Seins, die menschliche Freiheit ganz ausschalten würde. Zum andern ist Paulus aber auch nicht von der Sorge umgetrieben, die Glaubenden könnten permanent wieder zur Sünde hin abfallen. Insofern scheint er doch den Akzent stark auf den geschenkten Wandel der Existenz gesetzt zu haben. Dazu passt, dass V.14 sich nicht nur als Aufforderung, sondern auch als Zusage lesen lässt. »Die Sünde wird nicht mehr über euch herrschen« (ἁμαρτία ὑμῶν οὐ κυριεύσει). Das Stichwort »Gesetz« leitet über zum nächsten, hier nicht mehr zu behandelnden Abschnitt.

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